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tion wird, somit seinen gesetzlichen zwingenden Charakter da-
durch erhält, daß er sich als eine wenn auch verfassungs-
mäßig bedingte Willensäußerung des Gesetze gebenden Königs
darstellt.
Ist das aber für England richtig, wie es für Deutsch-
land richtig ist, so kann weder die dem Parlament hinsichtlich
der meisten Gesetze zustehende Initiative noch der enorme Um-
fang des englischen Gesetzesbegriffs als ein Widerspruch gegen
das monarchische Princip im eigentlichen Sinne des Worts
bezeichnet werden; denn wenn die Vorberathung und Zu-
stimmung einer landständischen Körperschaft die unbedingt
nothwendige Voraussetzung auch nur eines einzigen Gesetzes
sein kann, ohne das monarchische Princip zu verletzen, dann
kann in der Ausdehnung dieser Theilnahme des Parla=
ments an der Ausübung der gesetzgebenden Gewalt auf
einen noch so weiten Kreis von Rechtsverhältnissen kein Verstoß
gegen das Wesen der Monarchie gesehen werden. Wir
würden es begreiflich finden, daß Stahl in einer Ausdehnung
des Gesetzesbegriffs und in einer deshalb gesteigerten legis-
lativen Thätigkeit des Parlaments einen Widerspruch gegen
das monarchische Princip sähe, wenn er unter dem Vorgeben,
so sordere es das monarchische Princip, nur einen kleinen
Kreis unwichtiger Verhältnisse den Landständen zur Berathung
und Zustimmung zuwiese und die gesetzliche Regelung der
wichtigsten Lebensverhältnisse dem Souverän ausschließlich zu-
spräche. Aber Stahl weist ganz im Gegentheil den Land-
ständen jedes nur irgend wichtige Lebensverhältniß zur recht-
lichen Normirung zu 1) und ist hierzu auch durch seine Zweck-
bestimmung der reichsständischen Verfassung verpflichtet. Ver-
1) Stahl, a. a. O., S. 386—389,
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