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führung sie sich dem Parlament und dem Volke gegenüber
engagirt hat. So stellt sich die beschränkte königliche Initia-
tive als eine nothwendige Consequenz der parlamentarischen
Regierungsweise heraus, und nur wenn man diese für einen
Widerspruch gegen die Monarchie ansieht, was sie, wie wir
nachzuweisen hoffen, nicht ist, darf man mit ihr zugleich den
Mangel der königlichen Initiative als der Monarchie wider-
sprechend bezeichnen.
Viel schwerer wiegt der Umstand, daß der König in Eng-
land das Veto nicht mehr anzuwenden pflegt oder, wie es
scheint, nicht mehr anzuwenden vermag. In dem Rechte, Nein
zu sagen, liegt allerdings die einzige Bedeutung des Ja, durch
welches der König einen Beschluß des Parlaments zum Ge-
setze erhebt, und wenn die Einräumung eines blos suspensiven
Veto schon als eine Verletzung des monarchischen Princifs,
ja geradezu als eine Aufhebung der Monarchie durch Unter-
ordnung des Menarchen unter die Volksvertretung gelten
mußte, so ist das Königthum rechtlich geradezu bedeutungslos
geworden, wenn ihm das Veto gänzlich fehlt. Die Thatsache
steht nun aber fest, daß in England das Veto seit der Kö-
nigin Anna nicht mehr angewandt worden, daß es „obsolet"“
ist 1), und es könnte deshalb zulässig erscheinen, wenn Stahl
das Königthum in England für den Knepf am Kirchthurm,
um den kein Mensch sich kümmert, erklärt. ) Dieser Be-
bauptung stellt sich aber von vornherein der Umstand ent-
gegen, daß der König zur Einlegung des Veto auch jetzt noch
der Verfassung nach zweifellos berechtigt ist. Auch denken die
1) May, Das englische Parlament, übersetzt von O. G. Oppenheim,
S. 422. Fischel, u. a. O., S. 481, 482.
:) Stahl, a. a. O., S. 381.