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Engländer nicht daran, die von ihnen so hoch gehaltene
Staatsform durch die Erklärung, daß dem Könige das Veto
auch dem Rechte nach nicht mehr zustehen solle, in die Re-
publik umzuwandeln. Vielmehr begnügt sich das englische
Staatsrecht nicht mit dem allerdings etwas magern Zugeständ-
nisse, daß alle Gewalten des Staats, legislative und executive,
nominell aber nicht reell in dem Könige seien, sondern es pro-
testirt geradezu gegen die Meinung, als sei der König von
England der constitutionelle Musterkönig, wie ihn die con-
stitutionelle Doctrin der französischen Revolutionszeit ge-
zeichnet hat. 1) So wenig auch dem Monarchen in England
von der weiten Machtsphäre geblieben ist, in welcher die
continentalen Könige früher thätig waren und meistens auch
noch unter der Herrschaft des modernen Constitutionalismus
thätig sein zu dürfen glauben: immerhin ist er noch Monarch
genug, um den Punkt auf das J zu setzen 2) und es damit
zum J zu machen.
So halten die Engländer gewissenhaft an der alten Lehre
von dem Rechte des Veto fest, und dieses ist somit weder ein
vergessenes noch ein abgeschafftes Recht der Krone. Nicht die
Verfassung, sondern nur die politischen Verhältnisse haben sich
dem Gebrauche desselben seit der Thronbesteigung der Han-
noveraner entgegengestellt. Ein kraftvoller und bedeutender
König, dem nicht die zwingende Auctorität großer, ihn über-
ragender Politiker und Staatsmänner und einer von diesen
beherrschten öffentlichen Meinung gegenübersteht, kann dieses
schlummernde Recht wieder zu neuem Leben erwecken und
1) Fischel, a. a. O., S. 116. Vgl. auch Bluntschli, Allgemeines
Staatsrecht, 4. Aufl., I, 404, 405, und den daselbst in Note 4 ange-
führten Ausspruch Burke's.
2:) Hegel, Rechtsphilosophie, S. 373.