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diese mächtige, aus dem Staatsrecht niemals verschwun-
dene Waffe des Königthums auch in der politischen PragJis
wieder gebrauchen. Solange aber die Verfassung dem
Könige das Recht verleiht, das Veto anzuwenden, kann sie
einer Verletzung des monarchischen Princips, sofern dasselbe
richtig, d. h. als ein Rechtsbegriff aufgefaßt wird, doch des-
halb nicht angeklagt werden, weil einmal die Indiovidualität
der Könige seit dem Anfange des vorigen Jahrhunderts, dann
die intellectuelle und sittliche Gewalt des Parlaments und
endlich die aus alledem hervorgegangene Cabinetsregierung
den König thatsächlich an der Benutzung seines Rechts ge-
hindert haben.
Der Umstand, daß der König nicht rechtlich, sonder
blos thatsächlich von der Einlegung des Veto abgehalten werde,
wird denn auch von Stahl anerkannt, wenn er sagt, es
müsse der Krone schwer werden, Nein zu sagen, wenn das
Parlament seine Sitzungen mit „der Ausarbeitung eines
durchgeführten Gesetzesentwurfes zugebracht, vielleicht Mo-
nate lang die Aufmerksamkeit des Landes auf denselben ge-
fesselt“ habe. 1) Aber wenn der Gebrauch des Veto deshalb
unterbleibt, weil die öffentliche Meinung ihre Herrschaft auch
auf den König ausdehnt, so ist das monarchische Princip doch
sicherlich nicht verletzt. Vielmehr ist der König selbst ein
Glied seines Volks und soll als solches auch den Anschauungen
seines Volks nicht fremd bleiben; geräth er dadurch unter die
Herrschaft der öffentlichen Meinung und beugt er sich deshalb
dem allgemeinen Wunsche, den ihm die verfassungsmäßig be-
rufenen und anerkannten Beschützer und Bewahrer der Volks-
interessen vortragen, so ist dies der normale Zustand der
1) Stahl, a. a. O., S. 375.