211
Stande wäre, die Staatsgewalt plötzlich brach zu legen und
auf diese Weise den Staat in aller Form Rechtens nach freier
Willkür umzuändern. Wesentliche Bedürfnisse des Staats
sind in England in dauernder Weise gedeckt, sowol durch feste
Staatseinnahmen als durch feste Ausgabeposten, und können
auch dann in vollständig rechtmäßiger Weise von der Regierung
befriedigt werden, wenn das Unterhaus das ganze Etatsgesetz
verwerfen sollte. 1) Die Unterscheidung zwischen nothwendigen
und freiwilligen Ausgaben, welche Stahl als eine Forderung
des monarchischen Princips darstellt, besteht sonach in England
zweifellos, wenn auch unter anderm Namen, und sogar die
noch weiter gehende Forderung, das gesammte „raditionelle“
Budget mühsse gesetzlich festgestellt sein 2), ist in dem englischen
Staatsrechte annähernd befriedigt. Wenn die Macht der Ge-
setzebung auch auf dieses Gebiet umändernd einwirken kann,
so ist dies vollständig im Einklange mit der Theilnahme an
der Gesetzgebung, welche selbst Stahl für die Reichsstände
fordert, ohne zu glauben, er trete deshalb dem monarchischen
Princip zu nahe. Daß das Parlament seine ungeheuere Be-
deutung zum weitaus größten Theil seinem Steuerbewilligungs-
rechte zu verdanken hat, ist sicher; wir würden aber eine die
Monarchie zerstörende Stellung des Parlaments nur dann
anzunehmen im Stande sein, wenn es ein Recht besäße, das
es nicht besitzt, das Recht nämlich, in regelmäßiger jährlicher
Wiederkehr das Königthum durch die Gewährung seines Unter-
halts ermöglichen, beziehentlich durch eine Verweigerung des-
selben stürzen zu können.
Dagegen wird jedermann geneigt sein, mit Stahl in der
1) Gneist, Budget und Gesetz, S. 15.
2) Stahl, a. a. O., S. 390, 391.
14“