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Nachbarn ausgesetzt sind, einen gesicherten Bestand der Armee
also viel dringender bedürfen, als auch deshalb, weil in ihnen
der Constitutionalismus noch nicht so constante und politisch
gebildete Parteien wie in England erzeugt hat, die Möglichkeit
einer vollständigen Verweigerung der Armee demnach viel
näher liegen würde. 1) Ist doch selbst in England die Mutiny-
Act mehrfach, wenngleich nicht in neuester Zeit, angegriffen
worden 2), und eine Verweigerung derselben darf deshalb wol
nicht geradezu zu den Unmöglichkeiten gerechnet werden. Da-
mit würde aber zunächst nicht das Königthum, sondern das
Land bedroht sein; denn der König ist seiner Würde noch nicht
entkleidet, wenn es kein stehendes Heer im Lande gibt, das er
führen könnte. Es würde in solchem Falle ein Zweig der
Regierung, eine staatliche Institution weggefallen sein, deren
Wichtigkeit für den Staat zweifellos ist, deren Bedeutung
für das Königthum aber nicht nach den auf dem Continent
herkömmlichen Anschauungen beurtheilt werden darf.
Das monarchische Princip könnte nur dann für verletzt
gelten, wenn die Armee, nachdem sie auf dem regelmäßigen
Wege der Gesetzgebung zu rechtlicher Entstehung gekommen,
nicht dem Könige, sondern dem Parlamente untergeordnet wäre;
der Umstand aber, daß die Armeeverhältnisse in England in
einem höhern Grade von den Ständen abhängig sind als bei
uns, widerspricht dem monarchischen Princip ebenso wenig wie
die Abhängigkeit irgendeiner andern Staatsinstitution von par-
lamentarischer Bewilligung.
1) Vgl. auch Gneist's treffliche Darlegung der Gründe, weshalb eine
jährliche Mutiny-Act für Deutschland unzulässig sei, in „Budget und
Gesetz“, S. 25 fg.
2) Fischel, Die Verfassung Englands, S. 174.