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Stahl's, auch die Unabsetzbarkeit der Oberrichter in der Form,
welche sie in England angenommen habe, sei eine Verletzung
des monarchischen Princips. 1)
Man hat sich bei uns begnügt, den Richter nur auf
Grund richterlichen Erkenntnisses für absetzbar zu erklären, und
es fällt Stahl nicht ein, hierin einen Verstoß gegen das Wesen
der Monarchie zu erblicken, obgleich durch diese Bestimmung
das Recht, die Richter abzusetzen, der Krone zweifellos genom-
men ist. Ja, selbst offene Absolutisten haben die unumschränkte
Monarchie, wie sie in Europa sich entwickelt hatte, meist durch
den hohen Grad von Selbständigkeit zu rechtfertigen versucht,
welche der Ausübung des richterlichen Berufs gewährt sei.
Die Engländer weichen somit von dem continentalen Staats-
rechte dadurch nicht ab, daß sie die Unabhängigkeit der obersten
Reichsgerichte gegen jede Beeinflussung und Beeinträchtigung
von seiten der Krone sichern wollen, und wenn sie die aus-
schließliche Absetzbarkeit der Reichsrichter auf Grund richter-
lichen Erkenntnisses als kein ausreichendes Schutzmittel der
richterlichen Selbständigkeit ansahen, sondern festsetzten, die
Reichsrichter dürften nur auf Grund einer von beiden Häusern
des Parlaments ausgehenden Adresse vom Könige abgesetzt
werden, so ist das aus den historischen Zuständen, besonders
aus den vollständig willkürlichen, nur durch politische Motive
bestimmten Absetzungen einzelner Richter zu erklären, welche
unter den Stuarts in großer Zahl vorgekommen sind. 2) Die
Misregierung und endliche Vertreibung dieses Königshauses
hatte dem Parlament wenn nicht die oberste rechtliche, so doch
) Stahl, a. a. O., S. 377.
2) Homersham Cox, Die Staatseinrichtungen Englands, aus dem
Englischen von H. A. Kühne, S. 299 fg.