229
Staatsgewalt, ihrer mehr oder weniger vom Volk unab-
hängigen oder abhängigen Ausübung läßt sich entscheiden, ob
eine Republik oder eine Monarchie vorliege, sondern lediglich
danach, wem die Ausübung der Staatsgewalt kraft eigenen,
nicht übertragenen Rechts zustehe. Nur wenn wir dieses
Merkmal festhalten, ist es möglich, mit Sicherheit zu beur-
theilen, wo eine Monarchie, wo eine Republik vorliege. Die
starke Annäherung der Regierungsweise in einem bestimmten
Staat an die entgegengesetzte Staatsform kann demjenigen,
der diesen Standpunkt einnimmt, das Urtheil nicht verwirren:
ihm ist weder der Titel des Staatsoberhaupts noch die Be-
schränkung desselben maßgebend, sondern lediglich und aus-
schließlich die Zuständigkeit der Souveränetät: so mußte Hol-
land trotz eines erblichen Generalstatthalters, Venedig trotz
eines Herzogs eine Republik genannt werden; so bleibt dem
Erbmonarchen, dessen Recht nicht auf der Volkssouveränetät,
sondern auf seiner Abstammung ruht, der Charakter des
Monarchen auch unter den mannichfaltigsten Beschränkungen
seiner Macht. Das Wesen der Monarchie liegt nur in der
selbständigen Berechtigung einer einzigen physischen Person zur
Herrschaft, nicht aber in dem Machtumfange der dieser Person
für sich allein zustehenden Gewalt, und solange die Souve-
ränetät des Staatsoberhaupts in der Verfassung gewahrt
bleibt, kann auch die weitest gehende Beschränkung ihrer Aus-
übung nicht als die Einführung der Republik bezeichnet werden.
Daß die parlamentarische Regierung in ihrer äußern Er-
scheinung als ein Gravitiren zur Republik sich darstelle, kann
nicht geleugnet werden; dem Rechte nach ist sie nichtsdesto-
weniger von ihr ebenso verschieden, wie die Despotie eines
nordamerikanischen Präsidenten von der Monarchie rechtlich
verschieden sein würde. Derartige Schwankungen der that-