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sächlichen Machtverhältnisse kommen auf dem Gebiete des po-
litischen Lebens überall vor, und der Umstand, daß eine Reihe
schwacher oder unbedeutender Monarchen sich regelmäßig den
hervorragendsten Politikern des Landes fügt und dadurch eine
Art festes, einer irgend selbständigen Ausübung der fürstlichen
Gewalt feindliches Herkommen schafft, erzeugt ebenso wenig
die Republik, wie die alle übrigen Factoren des Staatslebens
thatsächlich beherrschende Auctorität eines großen Staatsmanns
diesen zum Monarchen macht. Erst wenn dergleichen Macht-
verhältnisse zu Rechtsverhältnissen werden, läßt sich von einer
Umänderuug der bestehenden Verfassungsform reden. Daran
aber denkt niemand in England: die Herrschaft des Cabinets
und des Parlaments sind unleugbare Thatsachen, aber der
König ist der verfassungsmäßige Souverän geblieben. )
Aus unsern Erörterungen stellt sich zweierlei heraus:
einmal, daß die englische Verfassung dem monarchischen Prin-
cip im eigentlichen Sinne des Wortes nicht widerspricht, und
dann, daß ein monarchisches Princip, welches eine bestimmte
thatsächliche Machtstellung des Monarchen fordert, für die
staatsrechtliche Construction einer bestimmten staatlichen Ord-
nung entweder irrelevant oder gefährlich ist. Wir dürfen des-
halb das monarchische Princip, wie es Stahl als einen Ge-
gensatz des parlamentarischen Princips construirt, als einen
für das Staatsrecht unbrauchbaren Begriff verwerfen. Das
parlamentarische Princip ist kein Widerspruch gegen die Mon-
archie, sondern eine besondere Regierungsweise in derselben,
das monarchische Princip aber ist ein Rechtsbegriff, dem nur
die Republik und die Gewaltentheilung entgegengesetzt werden
kann.
1) Zachariä, a. a. O., I, 81, Note 2.