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Theil ihrem Alter verdanken, deshalb hört die durch die Zeit
verliehene Legitimität doch nicht auf, etwas rein Thatsächliches
zu sein. Es wird bei dieser Auffassung des Legitimitätsbegriffs
den legitimen Dynastien dasselbe Maß von Ehrwürdigkeit ver-
liehen, welches die Zeit dem Alter überhaupt verleiht und
welchem die Menschen sich bisher überall gern unterworfen
haben. Aber diese Theorie darf nie vergessen, daß sie sich
selbst das Recht eines Widerstandes gegen illegitime Neuerungen,
welche zu fertigen Thatsachen geworden sind, nimmt, weil die
Legitimität, die dem neuen Staate oder Throne anfänglich
fehlt, ihm unfehlbar im Laufe der Jahre zutheil wird, wie
jedes neue Gebäude von einem höhern Stil, nachdem es län-
gere Zeit hindurch bestanden und fest in die Erinnerung der
Bewohner und derer, die es täglich sehen, hineingewachsen,
von der Zeit das Gepräge und von den Menschen die Weihe
des Alters erhält, die Keime künftiger Ehrwürdigkeit somit
schon in dem ersten Bausteine birgt, welcher in die Erde ver-
senkt wird.
Auch durfte sowol Stahl's wie Malte-Brun's Ausfüh-
rungen gegenüber nicht vergessen werden, daß wir uns mit
einer Berufung auf Gottes Willen nicht helfen können, wenn
es sich darum handelt, die Umwandlung eines nach dem gel-
tenden menschlichen Rechte zweifellosen Unrechts in ein nach
dem geltenden menschlichen Rechte ebenso zweifelloses Recht
nachzuweisen. Vielmehr bedürfen wir hierzu der Berufung
auf ein in der staatlichen Rechtsordnung selbst liegendes recht-
liches Institut, sofern der Legitimität und Illegitimität über-
haupt die Eigenschaft juristischer Begriffe gewahrt werden soll.
Ein solches Institut haben denn auch andere, welche die
Legitimität nicht mit der Gottheit in Verbindung bringen,
sondern einfach als identisch mit Rechtmäßigkeit der Erwerbung