245
durch die Bemerkung), derselbe werde erst durch die Anerkennung
der Volksvertretung und der übrigen Organe des Staats, ins-
besondere der Gerichte legitim, von jedem Zeitablaufe unab-
hängig, während er wiederum an einer andern Stelle 2) die
Verjährung als die Veredlung der factischen Staatsordnung
zur Rechtsordnung bezeichnet, ihr also nicht blos die negative
Aufgabe einer Zerstörung des alten legitimen Fürstenrechts,
sondern auch die positive Aufgabe der Neuschöpfung eines
rechtlichen Zustandes stellt. Ja, in seinem neuesten Werkes)
läßt er sogar die Legitimirung an sich unrechtmäßiger Zu-
stände lediglich „durch die reinigende und Recht bildende
Macht der Zeit“ vor sich gehen, indem er die Anerkennung
des thatsächlichen Zustandes von seiten des Volks nicht als
die Ursache, sondern als die Wirkung eines langjährigen
Besitzstandes bezeichnet, also die Legitimation des Usurpators
lediglich davon abhängig macht, daß dieser sich längere Zeit
hindurch zu behaupten wußte. Man würde demnach kaum
irre gehen, wenn man auch Bluntschli zu denen rechnet, welche
die historische Ehrwürdigkeit und die dieser vom Volk gezollte
Anerkennung für wirkliche Legitimität des Herrschers erklären.
Eine Beurtheilung der vorstehend wiedergegebenen An-
sichten über die Zulässigkeit einer staatsrechtlichen Verjährung
muß von einer Unterscheidung der verschiedenen Verjährungs-
arten ausgehen, welche die vorgenannten Schriftsteller als
Verjährung bezeichnen. Eine solche aber ist bei Savignt ebenso
leicht, wie sie bei Bluntschli schwer ist. Während nämlich der
1) Bluntschli, a. a. O., II, 58.
2) Staatswörterbuch von Bluntschli und Brater, Art. „Legitimi-
tät“, VI, 356. «
2) Das moderne Völlerrecht (Nördlingen 1868), 8. 290.