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liche, grundlose Abstraction“ sein, wollte man aus der nur
auf einem so eng begrenzten Gebiete gültigen Ersitzung den
allgemeinen Satz ableiten, daß überhaupt durch eine während
eines gewissen Zeitraums fortgesetzte Ausübung jedes Recht
erworben werden könne. 1) Der Zweck der Usucapion, die
sichere, unzweifelhafte Feststellung der vorhandenen Rechtsver-
hältnisse 2), ist überhaupt nicht identisch mit der Absicht, dem
nichtberechtigten Besitzer ein Recht zu geben, das dem Berech-
tigten erst genommen werden muß. Die Usucapion will viel-
mehr die Rechtsordnung einmal dadurch sicherstellen, daß sie
den zufällig fehlenden Beweis der Eigenthumsübertragung er-
setzt, also den Eigenthümer nur gegen andere, unberechtigte
Ansprüche sichert; dann aber dadurch, daß sie dem wirklich
Berechtigten zumuthet, seine Ansprüche im Interesse der all-
gemeinen Rechtssicherheit innerhalb einer bestimmten Frist
geltend zu machen. ) Die Erwerbung des Eigenthums ist
daher keineswegs immer die Wirkung der vollendeten Er-
sitzung 4), niemals aber der eigentliche Zweck des ganzen Ver-
jährungsinstituts, vielmehr nur ein Mittel zur Erreichung
seines Hauptzweckes, d. i. der Sicherung der Rechtsverhält-
nisse. 5)
Dieses Bedürfniß hat aber wiederum das Rechtsleben
nicht allen Rechtsverhältnissen gegenüber empfunden, und auf
sie ist deshalb der Satz von einer Rechtserwerbung durch fort-
1) Savigny, a. a. O., S. 299.
2) Ebendas., S. 305.
2) Ebendas., S. 306.
"!) Windscheid, Lehrbuch des Pandektenrechts, 2. Anfl. I, 270, 271.
6) Vgl. I. 1. D. de usurpationibus (41, 3): Bono publico usucapio
introducta est, ne scilicet quarandam rerum din et fere semper
incerta dominia essent, quum sufficeret dominis ad inquirendas
res suas statuti temporis spatium.