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Exstinctivverjährung des fürstlichen Rechts zu sehen, noch un-
zulässiger wird diese Annahme dadurch, daß der Krieg als
das letzte völkerrechtliche Rechtsmittel überhaupt in den meisten
Fällen dem verdrängten Souverän gar nicht zusteht, daß er
völkerrechtsmäßig außer Stande ist, Krieg im wirklichen völker-
rechtlichen Sinne des Wortes zu führen.
Wenn wir von den gegenwärtig verhältnißmäßig seltenen
Fällen absehen, in denen sich ein Theil eines größern Landes
selbständig macht, zum Staate vereinigt und eine bestimmte
Person als Souverän anerkennt, in denen somit der legitime
Monarch nur in einem Theil seines Landes verdrängt wird,
für die andern Theile seines alten Staats aber den Charakter
des Souveräns und damit auch das Recht zur Anwendung
völkerrechtlicher Selbsthülfe, insbesondere des Kriegs, behauptet,
so ist der verdrängte, d. h. aus allen seinen Ländern voll-
ständig vertriebene, der Souveränetät ganz beraubte, der nach
modernem Sprachgebrauche depossedirte Monarch außer Stande,
Krieg zu führen, und das zwar nicht blos factisch, sondern
auch aus rechtlichen Gründen: ein völkerrechtlich zulässiger
Krieg, der allein als ein völkerrechtliches Rechtsmittel aufge-
faßt werden darf, setzt zwei souveräne Häupter, beziehentlich
Staaten als Parteien voraus. 1) Die Souveränetät ist aber
nichts anderes als der Besitz der Staatsgewalt; ist diese
einem Fürsten vollständig genommen, so ist er demnach auch
nicht mehr Souverän, und ist er das nicht mehr, so kann er
auch keinen völkerrechtsmäßigen Krieg mehr führen, sollten ihm
selbst die reichsten Hülfsquellen an Geld und an Mannschaften
1) Bluntschli, Modernes Völkerrecht, §. 510. Heffter, a. a. O.,
S. 206.