266
weise wird deshalb der Beweis, daß die Immemorialverjäh-
rung vollendet sei, oder richtiger, daß, soweit Menschen-
gedenken reicht, kein anderer und besser berechtigter Zustand
bestanden habe, sich auf eine verhältnißmäßig nur kurze Zeit,
auf ein oder zwei Menschenalter zurückbeziehen können. Da-
gegen verhält es sich auf dem Gebiete des Staatsrechts ganz
anders: die Vorkommnisse des öffentlichen Lebens, ganze
Staatsumwälzungen haften einmal unendlich viel länger in
dem Gedächtnisse der Menschen; sie werden zu notorischen
Thatsachen. Dann aber werden sie auch in zweifellos glaub-
würdiger Weise verzeichnet; nicht blos historische Schriften,
auch besondere Gesetze und andere öffentliche Urkunden be-
zeichnen regelmäßig derartige geschichtliche Thatsachen, und des-
halb können Ereignisse wie die Neuschöpfung eines Staats, der
Umsturz einer Verfassung, die Errichtung eines neuen Thrones,
die Einsetzung einer illegitimen Dynastie niemals aus dem
Gedächtnisse der Gebildeten verschwinden.
Die Zeugen aber, welche die Vollendung einer Immemo-
rialverjährung bezeugen sollen, müssen regelmäßig diejenigen
sein, welche den größten Zeitraum mit ihrem Gedächtnisse
umspannen. Diejenigen, welche am meisten über das fragliche
Rechtsverhältniß wissen, werden befragt, nicht aber diejenigen,
welche durch Natur und Stellung außer Stand gesetzt sind,
für den betreffenden Rechtszustand ein treues, glaubhaftes Ge-
dächtniß zu besitzen.
Wenden wir das auf die Frage an, durch wen die Voll-
endung einer staatsrechtlichen Immemorialverjährung zu be-
zeugen sei, so finden wir, daß nicht die große Masse, die von
staatlichen Umwälzungen immer nur den kleinsten Theil weiß
und auch diesen nur die kürzeste Zeit hindurch im Gedächtnisse
behält, Zeugniß über den angeblichen unvordenklichen Besitz-