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das letztere jeden neuen Staat, jede neugeschaffene Monarchie
oder Dynastie für etwas Thatsächliches erklärt, weil das Recht
der legitimen Herrscher unzerstörbar sei, so weist die in Rede
befindliche Theorie das Recht auf die Krone dem Berechtigten
selbst zur Zerstörung zu, falls er die Usurpation in wirkliches
Recht umwandeln wolle, d. h. sie erklärt es gleichfalls für
unzerstörbar, selbst wenn es längst vergessen, die Aussicht auf
eine Restauration längst geschwunden sein sollte.
Um diesem Uebelstande abzuhelfen, hat Zöpfl, wie schon
Hugo Grotius 1), die Möglichkeit eines stillschweigenden Ver-
zichts der legitimen Dynastie vertreten. ) Derartige Verzichte
sind auch gewiß mehrfach vorgekommen und mögen auch öfter
mit ziemlicher Sicherheit aus bestimmten Handlungen der de-
possedirten Herrscherfamilie geschlossen worden sein. Aber ein-
mal ist es, wie Savigny bemerkt ?), „völlig willkürlich und
grundlos“, aus der Nichtausübung, beziehentlich Nichtgeltend-
machung eines Rechts darauf zu schließen, daß der Berechtigte
sein Recht aufgeben wolle, so wichtig gerade die Behauptung,
daß in dem zeitweiligen Verlassen des Staats von seiten des
Souveräns ein Verzicht auf die Souveränetät gefunden werden
müsse, dadurch geworden ist, daß die Engländer theilweise
hierdurch die Erledigung des englischen Throns begründeten
und die Uebertragung der englischen Krone von Jakob II. auf
Wilhelm III. rechtfertigten. ) Dann aber darf sicherlich das.
Aufgeben weitern kriegerischen Widerstandes gegen den illegi-
1) De jure belli ac pacis, Buch 2, Kap. 4: De derelictione
Praesumpta et eam secuta occupatione.
2) Zöpfl, a. a. O., I, 561, 563.
2:) System, IV, 307.
*“) Blackstone, Commentaries, I, 211.