22
Ebendeshalb forderte er nicht blos, daß die auf dem
Wiener Congresse vertretenen Mächte das Legitimitätsprincip
als die Basis der Neuordnung Europas anerkennen und jede
demselben widersprechende Anforderung schlechthin verwerfen
sollten, sondern er ging noch einen Schritt weiter und ver-
langte, die europäischen Mächte sollten eine förmliche Ga-
rantie für diejenigen Grundsätze übernehmen, welche vor der
Revolution das öffentliche Recht in Europa beherrscht hatten
und vom Wiener Congresse an wieder beherrschen sollten.
Das letzte und höchste Ziel der Legitimitätstheorie war
somit eine völkerrechtliche Garantie aller in Europa
bestehenden Dynastien und Staaten, übernommen von
allen oder doch den hauptsächlichsten Mächten des Welttheils.
Die Legitimität sollte die Basis einer von Europa für Eu-
ropa übernommenen Friedensbürgschaft sein.
An Großartigkeit fehlte es dieser Theorie gewiß nicht.
Bisher hatte nur der Staat innerhalb seiner Grenzen
den Rechtsbruch verboten, verhindert und bestraft. Die Strei-
tigkeiten aber, welche zwischen den Staaten selbst ent-
standen, hatte der Krieg entschieden, und wenn auch das
Völkerrecht für die Art und Weise der Kriegführung bestimmte
von Europa anerkannte Regeln aufgestellt hatte, den Anlaß
der Kriege, den Inhalt der Friedensverträge hatte es unter
seine Herrschaft zu bringen nicht vermocht. Hier entschied
noch immer das freie, durch keine Rechtsnorm beschränkte,
nur durch Machtverhältnisse bedingte Ermessen der kriegfüh-
) Klüber, a. a. O., VII, 49: „U li G la France) restait à
désirer que toute ambition ou entreprise inzuste trouvät et sa
condamnation et un perpétuel obstacle dans une reconnaissance
explicite et dans une garantie formelle de Cces mémes prin-
cipes, dont la révolution M'a 6té qu’'un long et faneste oubli.“