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als illegitim angesehen werden muß, durch Anerkennung in
einen legitimen zu verwandeln?
Ein Urtheil über Legitimität oder Illegitimität setzt eine
richterliche, gesetzlich oder vertragsmäßig begründete Competenz
desjenigen voraus, welcher das Urtheil spricht. Eine solche
Competenz ist aber, wie wir schon zu bemerken Gelegenheit
hatten, weder durch internationale Rechtsgewohnheiten noch
durch Verträge den Großmächten eingeräumt worden.
Dann würde weiter ein Urtheilsspruch ohne ein auch für
die Richter zwingendes Recht, nach dem er gefällt wird,
schlechterdings nicht anzuerkennen sein. Die auswärtigen Mächte
sind aber nicht im entferntesten genöthigt, die Entscheidung
über die fragliche Legitimität des Staatsherrschers auf Grund
der einzigen hierfür geltenden Rechtsquelle, d. i. des positiven
Landesstaatsrechts, zu treffen, und werden in der Regel die
rechtlich meist gar nicht streitige Frage, ob ein Usurpator oder
ein legitimer Herrscher in dem betreffenden Staate gebiete,
nach rein politischen Gründen entscheiden.
Man könnte uns zwar entgegenhalten, weder Zöpfl noch
Bluntschli fasse die Legitimation des illegitimen Staatsherrschers
durch das Ausland als einen Urtheilsspruch auf. Damit wür-
den wir aber nur zu der weitern Frage berechtigt: Wie ist es
möglich, daß die fünf Großmächte über das Recht des Usur-
pators und des Prätendenten entscheiden, wenn sie kein Ge-
richtshof sind und auch als solcher nicht fungiren sollen?
Nur die Annahme, jede Krone sei eine widerrufliche Ver-
leihung von seiten der Aristokratie Europas, könnte diese Ueber-
tragung des Thronbesitzrechts vom Prätendenten auf den Usur-
pator möglich machen, wenn diese Annahme nicht selbst un-
möglich wäre.
Zöpfl sucht auch dieser Frage dadurch auszuweichen, daß