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Regierungshandlung verwerfen, welche dem gegenwärtigen Ge-
richtshofe seine Stellung, sein Recht, seine Competenz gewährt,
also die eigene Fähigkeit zu dem gefällten Spruche vernichten.
Wir meinen nicht, daß angenommen werden müsse, jeder Richter
werde bei jedem Regierungswechsel neu angestellt; aber das
Amt, das ihm bei seiner Bestallung und zwar gewissermaßen
unentziehbar übertragen worden ist, ist inhaltlos geworden,
wenn es nicht die richterliche Function der gegenwärtigen
Staatsgewalt zum Inhalte hat. Mag deshalb auch der Be-
amte sein Recht und seine Pflicht zur Ausübung seiner Amts-
gewalt auf seine Ernennung zurückführen: daß seine Amts-
gewalt selbst nur ein ununterbrochener Ausfluß der Staats-
gewalt auf einen bestimmten Kreis der Lebensverhältnisse ist,
kann nicht zweifelhaft sein. Enthielte die Ernennung des
Beamten die definitive Uebertragung einer bestimmten öffent-
lichen Gewalt in der Weise, daß diese Gewalt nunmehr von
der Staatsgewalt losgelöst ein selbständiges Dasein in den
Händen des Beamten führte und erst nach seinem Tode oder
seiner Entlassung auf kurze Zeit, nämlich bis zur Neubesetzung
des erledigten Amts, mit der Staatsgewalt sich wieder ver-
einigte, so wären wir unversehens wieder in einem wenn auch
modernisirten Lehnsstaate angelangt, in welchem die Staats-
gewalt in ihre einzelnen Functionen zerrissen, leihweise ver-
geben und so dem Staatsoberhaupte als dem berufenen Träger
der Staatsgewalt entfremdet wurde. Ein Gerichtshof kann
daher nicht unter Berufung auf seine frühere rechtmäßige Er-
nennung auch unter der zweifellos feststehenden Herrschaft einer
usurpatorischen Staatsgewalt sich gegen diese erklären, ohne
den Zusammenhang seiner Thätigkeit mit der Staatsgewalt zu
zerreißen und damit seiner eigenen Function die Lebensader
zu zerschneiden. Wenn aber dem thatsächlich zweifellosen