Full text: Das Legitimitätsprincip.

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die fernere Ausübung der Staatsgewalt nehmen und damit 
den Kampf um dieselbe von neuem eröffnen und zwar mit 
den günstigsten Aussichten für den Usurpator eröffnen würde, 
macht eine Stimmabgabe gegen den factischen Staatsherrscher 
in größerm Maßstabe regelmäßig unmöglich. Wenn aber das 
Volk außer Stande ist, ein verneinendes Votum abzugeben, 
so kann auch seine dem Usurpator günstige Abstimmung nicht 
den Charakter der freien Wahl an sich tragen; vielmehr ist 
das Ja der Nation nur der Beweis, daß sie nicht Nein sagen 
kann, also in einem Augenblicke, in welchem sie ihren Herrscher 
erst wählen soll, schon von einem solchen beherrscht wird. Ist 
dagegen der Parteikampf noch nicht geschlichtet, will ein Theil 
des Volks, um der Herrschaft des Usurpators zu entgehen, es 
noch einmal auf die Anarchie ankommen lassen und die Ab- 
stimmung zum Sturze des Usurpators benutzen, so würde dies 
nur eins unter vielen andern Zeugnissen für den Umstand sein, 
daß der Usurpator vor der Abstimmung überhaupt noch gar 
nicht im Vollbesitz der Staatsgewalt, daß er ein Parteichef 
gewesen, der sich über die Tragweite seiner Erfolge täuschte. 
Ist nach dem Vorstehenden eine Legitimirung der Usur- 
pation durch eine ausdrückliche Erklärung des Volkswillens 
ebenso wie durch eine Anerkennung der Gerichte unmöglich, so 
könnte es doch denkbar scheinen, daß die Usurpation durch 
stillschweigende Anerkennung von seiten des Volks geheilt werde. 
Zwar läßt sich auch dieser Legitimationsweise jeder Grund 
entgegenstellen, mit welchem wir die Behauptung bekämpften, 
daß aus der Abstimmung des Volks, beziehentlich der Volks- 
vertretung, und aus der Anerkennung von seiten der Gerichte 
ein Recht auf den Thron abgeleitet werden könne; denn wenn 
das Volk außer Stande ist, durch ausdrückliche Anerkennung 
den Usurpator in einen legitimen Herrscher zu verwandeln, so
	        
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