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nissen gegenüber unabänderlich geworden. Die ausnahms-
lose, ununterbrochene Herrschaft des Legitimitätsprincips hätte
den europäischen Völkern die Fortentwickelung geraubt: das
Recht wäre nicht gesichert worden, es wäre für alle Zei-
ten erstarrt. Aus der völkerrechtlichen Garantie der bestehen-
den Throne und Staaten wäre die Tyrannei eines bestimmten
Princips entstanden, welches dem Bedürfnisse nach Verände-
rung des legitimen Zustandes keinen rechtmäßigen Weg offen
gelassen haben würde. Bisher war eine zwar gewaltsame,
aber nach der Lehre des Völkerrechts nicht widerrechtliche und
überdies häufig unbedingt nothwendige Beseitigung geschichtlich
überkommener staatlicher und dynastischer Rechte, der Krieg
und die Eroberung, möglich gewesen, und solange die euro-
päischen Staaten sich nicht zu einer festen, rechtlich geord-
neten, durch Gesetze und Richter beherrschten Staaten-
gesellschaft zusammenschließen, wird Krieg und Eroberung
auch stets nothwendig sein als das einzige oder doch äußerste
Mittel, welches das Völkerrecht gibt, um unhaltbare und
unerträgliche Zustände dauernd zu corrigiren. Die garan-
tirte Herrschaft des Legitimitätsprincips hätte aber nicht
blos allen europäischen Mächten die Hände gebunden, sie
unbedingt, rücksichtslos, für alle Zeiten zur Aufrechthaltung
der legitimen Staaten und Throne verpflichtet und somit der
siegreichen Gewalt jede Recht erzeugende Kraft genommen,
sondern auch jedes Organ unmöglich gemacht, welches dy-
nastische und staatliche Rechte dann, wenn sie mit den zweifel-
losen Bedürfnissen der europäischen Culturvölker in unlös-
barem Widerspruche sich befanden, hätte beseitigen und durch
eine bessere Einrichtung ersetzen können.
So fehlte der von Talleyrand geforderten legitimen Rechts-
ordnung Europas von Anfang an der Factor, welcher über-