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haupt jede Rechtsordnung erst möglich macht, die gesecarbeahe.
Gewalt; man verdammte die staatliche Selbsthülfe im inter-
nationalen Rechtsleben, führte aber weder Gesetz noch Richter-
spruch ein, um ihren Mangel zu ersetzen.
Man könnte uns entgegenhalten, diese Auffassung des
Legitimitätsprincips sei die irrige, wenn nicht absichtlich mis-
bräuchliche der Staatsmänner aus der Metternich'schen Schule
gewesen; die Herrschaft der Legitimitätstheorie schließe eine
Aenderung, ja sogar Aufhebung legitimer Rechte keineswegs
aus. Vielmehr sei eine Reform der auf dem Legitimitäts-
princip beruhenden Ordnung Europas durch die Garanten der-
selben sehr wohl zulässig.
Auch finden derartige Einwürfe eine scheinbare Bestäti-
gung in einzelnen gemeinsam gefaßten Beschlüssen der Groß-
mächte, durch welche Umänderungen der europäischen Staaten-
ordnung gebilligt, auch wol bestimmte politische Institutionen
zur Sicherung neuentstandener Verhältnisse festgesetzt worden
sind: man denke nur an die auf internationalen Conferenzen
bestimmten Geschicke Belgiens, Griechenlands, Rumäniens.
Aber dennoch würde die Behauptung, zu derartigen „correc-
torischen Schöpfungen“ 1) seien auch die consequenten
Anhänger des Legitimitätsprincips befähigt gewesen, die
Natur des von Talleyrand aufgestellten Legitimitätsbegriffes
vollständig verkennen.
Die neue Ordnung Europas sollte nichts anderes sein
als die bewußte Reconstruction der alten. Nicht in der
Wiedererrichtung durch den Wiener Congreß sollte der Grund
ihrer Geltung erblickt werden: er sollte in ihrer unaustilg-
baren, durch die Geschichte verliehenen, nur durch eine
1) Heffter, Europäisches Völkerrecht, 4. Ausg., S. 21.