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Wiener Verträge nicht wieder aufgehobenen, oder durch sie erst
herbeigeführten Aenderungen und Verletzungen der alten durch
die Revolutionsepoche umgestürzten Ordnung aufgezählt wer-
den. Hier nur so viel:
Es bestand schlechterdings kaum ein einziger Staat, der
sich als makellos reine Verwirklichung des Legitimitätsprincips
ausgeben konnte; es war somit auch kaum Eine Dyuastie
vorhanden, welche behaupten durfte, das überkommene Recht
sei die einzige Basis ihres Bestandes. Das dynastische Erb-
recht gab meistens nur einen Anspruch auf einzelne Theile des
beherrschten Landes; in vielen Fällen aber gab die Eroberung,
der thatsächliche Besitzstand und die diesen anerkennenden
Verträge wenigstens für einzelne Theile des Staatsgebiets
die Grundlage der Herrschaft ab. Wie wenig Werth aber
diese Verträge hatten, ging daraus hervor, daß der Wider-
spruch der Betheiligten und Verletzten regelmäßig nicht gehört
wurde, wenn er beharrlich und energisch der gewünschten
Neuordnung der Verhältnisse entgegentrat. Man war über die
Proteste des Königs von Schweden, der mediatisirten Reichs-
stände, der ehemals reichsunmittelbaren Ritterschaft, über den
Widerspruch des Papstes und der Genueser ruhig zur Tages-
ordnung übergegangen, und so fehlte den Wiener Verträgen
in sehr vielen Fällen gerade das Moment, das sie zu Ver-
trägen machen konnte, die Einstimmung desjenigen, dessen
Recht der Gegenstand des Vertrags war.
Das eine steht sonach fest: die Legitimität war die
Grundlage der europäischen Throne nicht; sie blieb
für diejenigen, welche ihr anhingen, ein wünschenswerthes,
aber nicht erreichtes Ziel. Nicht eine der Mächte, welche
unter der Fahne der Legitimität fortan gegen die Revolution
ins Feld zogen, hatte wirklich zu ihr geschworen. Fur sie alle