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schüttert hatte, und sich jetzt abermals, obgleich sie der Frei-
heit bisher so wenig gedient, in den Vordergrund des poli-
tischen Lebens zu drängen versuchte, fortdauernd wach erhalten
haben. Was konnte auch die höchste factische Unabhängigkeit
von dem Volkswillen den Fürsten bedeuten, wenn sie ver-
fassungsmäßig ihr Recht auf eine Willenshandlung des Volks
zurückführen mußten? Und was konnte es für Europa be-
deuten, wenn der endlich wiederhergestellte Friede durch Ver-
fassungen bedroht war, die den Gliedern und Garanten der
neuen Rechtsordnung die monarchische Gewalt nur so lange
ließen, quamdin bene se gesserint? Die Anhänger des
Legitimitätsprincips begnügten sich aber nicht mit der durch
Geschichte, Recht und Politik in gleicher Weise gebotenen Ver-
neinung der Volkssouveränetät, sondern trugen, um jenes als
unerschütterliches „Nouplusultra gegen die Revolution“ 1) ge-
brauchen zu können, eine Reihe von Lehren in dasselbe hinein,
welche ihm an sich vollständig fremd waren, d. h. sie ver-
änderten den Inhalt des Legitimitätsprincips dergestalt, daß
es nicht allein dann, wenn eine legitime oder für legitim er-
klärte Dynastie ihrer Herrschaft ganz oder für einen Theil
des ererbten oder ihr durch die Wiener Verträge zugewiesenen
Herrschaftsgebiets beraubt zu werden drohte, sondern bereits
dann für verletzt gelten konnte, wenn bei ununterbrochen fort-
dauernder, ja gar nicht in Frage gestellter Herrschaft der legi-
timen Oynastie solche Verfassungsveränderungen durchgesetzt
werden sollten oder wirklich durchgesetzt worden waren, welche
die bisherige Regierungsform wesentlich umgestalteten und die
Ausübung der monarchischen Gewalt vom Volkswillen ab-
hängig machten.
1) Heffter, Europäisches Völkerrecht, 4. Ausg., S. 21.