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Damit aber gelangte man zu einer Ausbeutung der Lehre
von der Legitimität, welche den Boden vollkommen verließ,
auf welchem das Legitimitätsprincip allein ruhte und ruhen
konnte: jetzt wird es eine politische Theorie von der Noth-
wendigkeit einer bestimmten Regierungsform, einer bestimmten
Herrschaftsweise. Was aber hatte es, solange die legitimen
Staaten bestanden, die legitimen Dynastien gar nicht ange-
griffen wurden, mit dem Legitimitätsprincip zu schaffen, auf
welche Weise der betreffende Staat organisirt war, wie er
regiert wurde? Hier durfte nicht ausschließlich von histo-
rischem Recht die Rede sein: auch die Monarchie hat überall
und zu jeder Zeit eine Verfassungsgeschichte gehabt, welche
nicht mit dem Wiener Congresse oder mit den Verträgen von
Paris und Aachen ihr Ende erreicht haben konnte. Hatten
doch die meisten europäischen Fürsten durch die Zusage con-
stitutioneller Ordnungen selbst die Möglichkeit einer Weiter-
bildung der monarchischen Staatsform zugestanden. Auch
hatten die meisten legitimen Dynastien Zeiten einer außer-
ordentlichen Machtbeschränkung durch landständische und muni-
cipale Rechte durchlebt, ohne ihre Legitimität deshalb für
verletzt oder gar zerstört zu halten. Die legitimen Rechte der
Krone, von welchen Metternich, der geschworene Feind alles
Pathos, in so schwülstigem Pathos redete, konnten keine
andern als die nach der Verfassung des betreffenden Landes
dem Monarchen zustehenden Rechte, nicht aber eine willkürlich
construirte Gesammtheit von Machtbefugnissen sein, die ohne
Rücksicht auf das Staatsrecht des Landes jedem Monarchen
unbedingt, nöthigenfalls sogar trotz der Verfassung zustehen
müßten.
Nun ließ sich freilich nicht leugnen, daß das Verfassungs=
recht vieler Länder noch eine beinahe unbeschränkte Machtvoll-
Brockhaus, Legitimitätsprincip. 6