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kommenheit dem Souverän in die Hände legte; aber einmal
gab es kaum einen einzigen unter den europäischen Fürsten,
der nicht infolge einer ausdrücklichen, seinen Unterthanen ge-
gebenen Zusage oder einer andern Mächten gegenüber unzwei-
deutig übernommenen Verbindlichkeit zur Einführung einer die
eigene Gewalt beschränkenden Verfassung verpflichtet gewesen
wäre. Ja viele Fürsten waren bereits durch geltende, von
ihnen selbst gegebene oder angenommene, publicirte und be-
schworene Verfassungen gebunden, als sie von dem Legitimi-
tätsprincip gegen die Fortdauer dieser Verfassungen Gebrauch
machten. Dann aber ließ sich die Forderung einer verfassungs-
mäßigen Sicherung der Unterthanenrechte nicht ein für allemal
durch die Berufung auf die verfassungsmäßige Unbeschränktheit
des Souveräns zurückweisen; zu jeder Zeit ist die Frage, ob
der Monarch absolut oder beschränkt regieren solle, nicht nach
der Rechtmäßigkeit des bisherigen Absolutismus allein, sondern
vor allem nach dem sittlichen Werthe seiner Regierung
beurtheilt worden. Jedes unbefangene Urtheil über die mei-
sten absolut regierten Staaten jener Zeit aber mußte dem reac-
tionären Despotismus, der in ihnen waltete, einen sittlichen
Werth schlechterdings absprechen, also die Forderung einer
Aenderung der bestehenden Regierungsweise für gerechtfertigt
erklären.
Solche Einsicht gewann aber keinen Raum in der Politik
der Heiligen Allianz: nicht blos in seiner frühern, auch in sei-
ner jetzigen Bedeutung sollte das Legitimitätsprincip das euro-
päische Festland beherrschen.
Mußte es nun schon als eine widersinnige Tyrannei der
von Talleyrand vertretenen Legitimitätstheorie erscheinen, wenn
die zum großen Theil unnatürlichen Verhältnisse, welche der
Wiener Congreß geschaffen, um ihres legitimen Charakters