Admiral
von Senden-
Bibran
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Tochter entbunden, die später den Herzog von Augustenburg heiratete, den
Großvater der Prinzeß Henriette und Urgroßvater der Kaiserin Auguste
Viktoria. Nach Lage der Dinge war es im höchsten Grade unwahrschein-
lich, daß jene nach dem Trauerspiel Struensee geborene Prinzessin Luise
Auguste von Schleswig-Holstein-Sonderb tenburg die Tochter
des Königs Christian VII. von Dänemark sein n sollte. Als nun, erzählte mir
der Kaiser, die Prinzessin Henriette gelegentlich von einer anderen Prin-
zessin wegen ihrer angeblichen Abstammung von Struensee gehänselt
wurde, erwiderte sie: „Ich will lieber von einem gescheuten Arzt abstam-
men als von einem vertrottelten König.“ Kaiser Wilhelm II. fand diese
Antwort ausgezeichnet. Er war wirklich kein Philister, wie ich gegenüber
August Bebel einmal im Reichstag sagte.
Der Chef des Marinekabinetts, Admiral Freiherr von Senden-Bibran,
war der Sohn eines schlesischen Barons, der im österreichischen Dienst ge-
standen hatte. Er selbst war in jungen Jahren in die deutsche Marine ein-
getreten, an der er mit Leidenschaft, man kann sagen mit Fanatismus hing.
Außerhalb der Marine existierte nichts auf der Welt für den alten Jung-
gesellen, der weder Weib noch Kind und nur wenige Freunde hatte. Solche
Hingebung an die Sache war an sich schön und konnte auch nützlich
wirken, wenn sie nicht zu völliger Einseitigkeit geführt hätte. Zu dem vielen,
das, verglichen mit der Flotte, für Herrn von Senden nicht auf der Welt
war, gehörten leider auch politische Rücksichtnahme und Vernunft. Die
Liebe des Admirals von Senden für die Flotte ging so weit, daß er in ihrem
Interesse auch den Admiral von Tirpitz hielt und stützte, den er persönlich
haßte, aber für den einzigen Mann hielt, dessen organisatorische Be-
fähigung und Energie einen raschen und zweckentsprechenden Ausbau der
Flotte sicherten.
Zur Zeit des Admirals Hollmann, der von 1890 bis 1897 Staatssekretär
des Reichsmarineamts gewesen war, der zu den sogenannten „Freunden“
des Kaisers gehörte und, wie die meisten dieser Herren, Seiner
Majestät gegenüber sehr nachgiebig war, hatte sich trotz aller Gegen-
vorstellungen des Admirals von Senden Wilhelm II. mehr als gut in
Bau und Konstruktion der Kriegsschiffe eingemischt. Der Kaiser zeich-
nete mit Vorliebe Pläne für Häuser, für Schlösser, für Kirchen und
namentlich für Schiffe. Die zeichnerische Begabung und die Lust am Zeich-
nen hatte Wilhelm II. wie vieles von seiner Mutter geerbt. Wie auf manchen
anderen Gebieten war auch hier bei ihm die Kraft schwach, allein die Lust
‘war groß. Während Admiral Hollmann Staatssekretär des Reichsmarine-
amts war, kam es häufig vor, daß der Kaiser die Konstruktionsabteilung
direkt zu beeinflussen suchte. Er war bestrebt, hinsichtlich der Schiffsbauten
überall und bei jedem Anlaß persönlich einzugreifen. In den neunziger