DER KAISER ALS SCHIFFSZEICHNER 69
Jahren hatte der Kaiser bei einem Besuch in Italien die Bekanntschaft des
damaligen italienischen Marineministers, des Admirals Brin, gemacht, der
für einen der hervorragendsten Schiffskonstrukteure in Italien und selbst
in Europa galt. Nach langen Gesprächen über die beste Art, Schiffe und
insbesondere große Schlachtschiffe zu bauen, hatte der Kaiser den Admiral
Brin gefragt, ob er ihm den Plan für den Bau eines Kampfschiffes über-
senden dürfe, den er mit besonderer Sorgfalt ausgearbeitet habe und der
die Frucht jahrelanger Studien, sauren Fleißes und vielen Nachdenkens
wäre. Einige Wochen später erhielt der Minister Brin aus Potsdam den ihm
in Aussicht gestellten Plan. Er schickte die Zeichnung dem Kaiser mit einem
Brief zurück, der ein Meisterstück italienischer Feinheit, aber auch kühler
Ironie war. „Das Schiff, das Eure Majestät bauen wollen“, schrieb etwa der
Admiral, „wird das mächtigste, furchtbarste und dabei schönste Kriegs-
schiff werden, das je gesehen wurde. Es wird eine Schnelligkeit entfalten,
die noch nirgends erreicht wurde, seine Armatur übertrifft alles bis heute
Dagewesene, seine Masten sind die höchsten, seine Geschütze die weitest-
tragenden der Welt. Dabei ist es im Innern prächtig eingerichtet, es muß
ein wahres Vergnügen sein, auf diesem Schiff zu fahren, für die ganze Mann-
schaft, vom Kapitän bis zum Schiffsjungen. Das herrliche Fahrzeug hat
nur einen Fehler: wenn es auf Wasser gesetzt wird, geht es unter wie eine
bleierne Ente.“ Der Kaiser hat dem Admiral diese Antwort gar nicht übel-
genommen. Es war ein in hohem Grade sympathischer Zug des Kaisers,
und dadurch unterschied er sich von vielen anderen Fürsten, daß er für
eine mit Geist vorgebrachte Kritik nicht empfindlich war — voraus-
gesetzt, daß sie nicht nach außen drang. Darum hatten es seine persönlichen
Freunde leicht mit ihm, denn zwischen ihnen und Seiner Majestät spielte
sich alles in der Intimität ab. Die Minister hatten es schwer, denn sie stan-
den vor der Öffentlichkeit und der Kaiser mit ihnen.
Aus den soeben angedeuteten Gründen, weil neben seinem Eifer für die
Marine keine andere Erwägung für ihn bestand, hat der Admiral von Senden
auf die Beziehungen zwischen dem Kaiser und seinem Onkel, dem König
Eduard VII., und damit auf die deutsch-englischen Beziehungen sehr schäd-
lich eingewirkt. Senden war, was man in Norddeutschland „stur“ nennt. Er
war leider auch sehr taktlos. Die Herren, die Wilhelm II. umgaben, hatten
mit verschwindenden Ausnahmen viele treffliche Eigenschaften. Sie wurden
von Außenstehenden oft ungerecht beurteilt. Es fehlte ihnen weder an
Pflichttreue, noch an Wahrheitsliebe, noch an Unabhängigkeit der Ge-
sinnung, aber Takt war nicht die Signatur der neuen Generation. Am
Hofe Kaiser Wilhelms I. war der Ton sehr taktvoll. Von dem Milieu, in
dem Wilhelm II. lebte, ließ sich dies auch mit dem besten Willen nicht
behaupten. Selbst Philipp Eulenburg und Kuno Moltke konnten und wollten
Des Kaisers
Umgebung