Full text: Bernhard Fürst von Bülow - Denkwürdigkeiten. Erster Band. Vom Staatsseketariat bis zur Marokko-Krise. (1)

General 
von Plessen 
76 KRIEG IM FRIEDEN 
das Kleine klein, immer gewissenhaft und großzügig. Er war durch und 
durch ein scharfer preußischer Patriot und dabei von besten, konzilianten 
Formen. Ich hätte sehr gewünscht, ihn als Botschafter nach Petersburg, 
Wien oder London senden zu können, aber der Kaiser wollte nicht auf diese 
„Säule seines Hofes“ verzichten. Es war kein Glück für den Kaiser und das 
Land, daß Graf Eulenburg vom Hofe in das Hausministerium übersiedelte, 
wo er den Kaiser seltener sah und nicht mehr auf Reisen begleitete. Es war 
namentlich kein Glück, daß Eulenburg durch den seichten und hohlen, 
dabei in seiner Selbstüberschätzung fast komisch wirkenden Herrn von 
Reischach ersetzt wurde, und das nicht lange vor dem Kriege, wo dem 
Kaiser ein kluger und charaktervoller Berater in unmittelbarer Umgebung 
doppelt not tat. Eulenburg hat dem Kaiser auch im Hausministerium und 
insbesondere nach der Novemberrevolution durch Besonnenheit und Ein- 
sicht hervorragende Dienste geleistet. Aber er fehlte in Koblenz und in 
Luxemburg, in Charleville und in Pleß. Er fehlte vor allem 1918 in Spa. 
Mit Graf August Eulenburg an seiner Seite wäre Kaiser Wilhelm II. nicht über 
die Grenze entwichen. 
Der Kommandant des Hauptquartiers, General von Plessen, der spätere 
Generaloberst, war schon Adjutant beim alten Kaiser gewesen und hatte 
die guten Manieren, das ruhige Wesen und die Diskretion, die dessen 
Umgebung auszeichneten. Er war verheiratet mit der Tochter des großen 
Chirurgen und Generalarztes der Armee, Bernhard von Langenbeck. 
Aus der Adjutantur des alten Kaisers war Plessen in die des Enkels 
übergetreten, der ihn bald nach seinem Regierungsantritt zum Komman- 
danten des Großen Hauptquartiers machte. Unter dem alten Kaiser, der 
zwei große Kriege geführt hatte, gab es im Frieden kein Hauptquartier. 
Kaiser Wilhelm II. hatte diese Institution in Rußland kennengelernt. Der 
Gedanke hatte ihm gefallen, seiner Suite auch im Frieden ein kriegsmäßiges 
Gewand umzuhängen. Der hohe Herr spielte gern Krieg im Frieden. Als 
aber aus dem Krieg im Frieden wirklicher, blutiger und furchtbarer Krieg 
wurde, schauderte sein Inneres, seine im Grunde weiche Natur und sein 
ganzes sensitives Wesen vor der Wirklichkeit zurück. Von dem General- 
oberst von Plessen hat in seinem bekannten Roman „Der König“ der 
Wiener Journalist Karl Rosner ein zu boshaftes Porträt entworfen. Rosner 
war als Vertreter des „Lokalanzeigers‘“ dem Großen Hauptquartier 
attachiert worden. Dem Kaiser gefielen seine blumenreichen Kriegsberichte, 
die regelmäßig in den Scherlschen Blättern erschienen. Rosners Stil war 
echt wienerisch. Wenn Fürst Bismarck einen Artikel in die Presse zu 
glissieren wünschte, der in lebhaften Farben und mit einem sentimentalen 
Unterton gehalten sein sollte, so setzte er nach kurzer Skizzierung des 
Inhalts die Worte an den Rand: „Im Stylus austriacus.‘“ Es ist menschlich
	        
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