Full text: Bernhard Fürst von Bülow - Denkwürdigkeiten. Erster Band. Vom Staatsseketariat bis zur Marokko-Krise. (1)

Nach 
80 DIE VIELEN ENTREVUEN 
brauchten, das in jenen Augusttagen von 1897, unserem Auge verborgen, 
noch in so weiter Ferne lag. 
Die Stimmung an Bord war heiter, der Kaiser in bester Laune wie immer, 
wenn er auf Reisen war und vor einem interessanten Erlebnis stand. Ich 
Peterhof fragte den Kaiser einmal, wie es käme, daß er, der in so großer Stellung wäre 
unterwegs 
und dem alles zur Verfügung stünde, eine solche Freude an Reisen, Be- 
suchen und fürstlichen Entrevuen hätte. Ich gestünde ihm, daß ein ein- 
facher Mann wie ich sich daraus eigentlich nicht viel mache. Ich wäre ganz 
gern mit Seiner Majestät zusammen, aber die Reisen und Entrevuen be- 
trachtete ich mehr als das, was man im Französischen „une corv&e“ nenne. 
Der Kaiser meinte, das erkläre sich wohl dadurch, daß ich schon in meiner 
Jugend und erst recht später als Diplomat überall herumgekommen wäre, 
daß ich reisen konnte, wohin ich wollte, und vieles gesehen hätte. Er wäre 
in der ersten Zeit seines Lebens so gut wie gar nicht gereist, hätte außer dem 
englischen kaum einen fremden Hof kennengelernt, hätte auch nie fürst- 
lichen Begegnungen beigewohnt, nun habe er Trieb und Bedürfnis, das 
alles nachzuholen. Außerdem glaube er, daß durch direkte Rücksprache 
unter Souveränen mehr zu erreichen sei als durch die schönsten Noten der 
Minister. Auch diese bedauerliche Überschätzung der für fürstliche Per- 
sönlichkeiten möglichen Einwirkung auf fremde Souveräne und Minister 
hatte der Kaiser von seiner Frau Mutter übernommen, die in der Zeit, 
wo sie gegen Wünsche und Willen des alten Hofes, des Kaisers Wilhelm I. 
und der Kaiserin Augusta, vor allem gegen den dezidierten Widerspruch 
des Fürsten Bismarck und zum Leidwesen ihres Gemahls, des Kaisers 
Friedrich, mit leidenschaftlicher Hartnäckigkeit die Verbindung ihrer 
Tochter Viktoria mit dem Fürsten Alexander Battenberg betrieb, über- 
zeugt war, eine einstündige Unterredung mit Kaiser Alexander III. würde 
ihr genügen, den Zaren für jenes Heiratsprojekt zu gewinnen. Der 
Besuch, den sie bald nach der Entlassung des Fürsten Bismarck in Paris 
abstattete und der mit einem Fiasko endete, war aus der gleichen über- 
triebenen Einschätzung fürstlichen persönlichen Einwirkens hervorge- 
gangen, die viele Jahre später ihren Sohn zu der Tragikomödie von Björkö 
verleiten sollte. 
Mit Lebhaftigkeit erklärte mir der Kaiser schon am ersten Tage unserer 
Seefahrt nach Petersburg, er habe mir interessante und erfreuliche Mit- 
teilungen zu machen. Der König von Belgien habe ihm in Kiel den Vorschlag 
gemacht, sich mit ihm an einigen großen Geschäften in Ostasien zu beteiligen, 
bei denenMillionen zu gewinnen wären. Dafür habe ihm der Königin Aussicht 
gestellt, er werde seinen Einfluß in England und Frankreich dafür geltend 
machen, daß von den Mächten zum Gouverneur von Kreta ein Deutscher 
bestimmt werde, was für Deutschland eine gute Sache wäre. Ich verhehlte
	        
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