DAS PALAIS IN DER TÜRKENSTRASSE 125
Rittern geschlagen habe. Ich saß neben dem Grafen Crailsheim. Kein
Teiresias hätte damals vorausgesehen und keine Kassandra vorausgesagt,
daß auf dem Stuhl des Grafen Crailsheim einmal der aus Galizien über
Berlin nach München verschlagene Aventurier Kurt Eisner sitzen würde
und daß unter ihm in den Tagen der Räteherrschaft als Minister katili-
narische Existenzen wirken würden, die, wie die Hebertisten 1794 und die
Pariser Kommunisten von 1871, wenn nicht ins Zuchthaus, so doch ins
Irrenhaus gehörten. Und wer hätte geahnt, daß einundzwanzig Jahre nach
jenem Festtage in Nürnberg den Platz des damals auf der Höhe der Macht
stehenden Deutschen Kaisers, der in der deutschesten aller deutschen
Städte, den Regenten des zweitgrößten Bundesstaats neben sich, in hoch-
gemuter Rede „die herrliche kerndeutsche alte Stadt Nürnberg‘ feierte,
cin aus Heidelberg nach Bremen verschlagener Sattlergeselle einnehmen
würde, der dort eine Wirtschaft eröffnet hatte und vermutlich an demselben
2. September 1897 seinen Gästen schäumendes Bier oder einen steifen
Grog kredenzte und sich mit ihnen über die goldene Zeit unterhielt, welche
die völkerbefreiende, völkerverbindende Sozialdemokratie, wenn sie nur
erst am Ruder wäre, über Deutschland herbeiführen würde. Dieser biedere
Gastwirt hieß Fritz Ebert. Die Sozialdemokratie ist zur Macht gelangt.
Aber ihre Zusagen und Versprechungen hat sie nicht erfüllt. Das Hoch-
kommen der Sozialdemokratie führte in Rußland, in Ungarn und, wo ihr
linker Flügel dies vermochte, auch in Deutschland an manchen Orten zu
Blutvergießen und jeder Art von Greueln. Selbst ihre verständigere
Mehrheit hat weder ein besseres Verhältnis zwischen den Völkern noch
wahre Freiheit herbeiführen können.
Je wohltuender und beruhigender die Eindrücke waren, die ich in per-
sönlichem Verkehr bei meinem ersten Besuch in Bayern von den bayrischen
Staatsmännern empfing, je befriedigter ich durch die loyalen, vom Geiste
aufrichtiger Reichstreue getragenen Erklärungen sein konnte, die der treff-
liche Graf Crailsheim mir gegeben hatte, um so unerfreulicher mußte ich die
Haltung finden, die Graf Monts, damals preußischer Gesandter am bay-
rischen Hofe, gegenüber der bayrischen Regierung einnahm und von der
einige bereits von mir wiedergegebene Briefe nur allzu beredt sprachen.
Die preußischen Gesandten, die in München seit der Gründung des Reichs
beglaubigt waren, hatten sicherlich oft mit Schwierigkeiten zu kämpfen ge-
habt, aber sie erfreuten sich durchaus persönlicher Wertschätzung, und das
Palais an der Türkenstraße war eines der Zentren der Münchener Gesellig-
keit. Monts war im Gegensatz zu seinen Vorgängern und Nachfolgern in
allen Kreisen der bayrischen Hauptstadt wenig gern geschen und hatte nur
eine mäßige Stellung. Nach meinem Besuch in Würzburg und Nürnberg
schrieb der Königliche Gesandte in München, Graf Monts, an meine Frau:
Monits in
München