IX. KAPITEL
Paradetafel in Homburg (4. IX. 1897) « Schwärmerei Wilhelms II. für Königin Mar-
gherita » Sein Brief an Philipp Eulenburg über seinen Besuch in St. Petersburg » Erste
Begegnung mit dem späteren König Ludwig III. von Bayern « Die Adlerborte - Rück-
kehr nach Berlin - Fühlungnahme mit den fremden Botschaftern: Graf Szögye£nyi,
Graf Lunza, Sir Frank Lascelles, Gruf Osten-Sacken
ei der Paradetafel in Homburg am 4. September 1897 hatte Kaiser
Toası auf Wilhelm II. einen Toast ausgebracht, der die Königin Margherita von
Königin Italien in so poetischen Wendungen feierte, wie sie in Staatsreden von
Margherita SJuveränen noch nicht vernommen worden waren. „Ich heiße“, sprach
Wilhelm II., „zugleich im Namen meines Volkes, in tiefster Dankbarkeit
die hohe Königin willkommen, die es nicht verschmäht hat, aus ihrer Ruhe
und ihrer der Kunst und Literatur gewidmeten Tätigkeit herzukommen,
um hier inmitten des Feldlagers unserer Soldaten ihre holde Erscheinung
zu zeigen. Eure Majestät sind uns Deutschen ganz besonders lieb und wert,
weil Sie gleichsam das Ebenbild des hohen Gestirns sind, auf das Ihr Volk
und Vaterland vertrauensvoll blickt, weil der Künstler, der Weise, der
Musiker, der Gelehrte stets freien Zutritt zu Eurer Majestät haben.“
Mir sind in meinem langen Leben wenige Fürsten begegnet, die so eifrig
wie Wilhelm II. bestrebt waren, sei es durch Ansprachen und Toaste, sei es
durch Geschenke, Besuche, Glückwunschtelegramme und Aufmerksam-
keiten, jede Art Freude zu bereiten und Herzen zu gewinnen. Das hing
zweifellos zusammen mit der Gutmütigkeit und Naivität, die Kaiser Wil-
helm II. menschlich sympathisch machten. Das war aber auch auf seine
Überschätzung aller Äußerlichkeiten zurückzuführen. Da ihm, obschon er
auf seiner breiten Brust kaum noch Platz für irgendeinen Orden hatte,
jede neue Dekoration die größte Freude bereitete, da ihm jede Chefstelle
in einer fremden Armee als ein persönlicher Erfolg erschien, auf den er stolz
war wie einst der Grieche, der auf Korinthus’ Landesenge seine Schläfe
mit der Fichte Kranz umwinden durfte, so nahm er an, daß es kein besseres
Mittel gäbe, andere, namentlich Ausländer und vor allem fremde Fürstlich-
keiten, für sich einzunehmen, sie zu gewinnen und zu beeinflussen, als ihnen
möglichst viele Attentionen zu erweisen. Dabei überschritt er nicht selten