Full text: Bernhard Fürst von Bülow - Denkwürdigkeiten. Erster Band. Vom Staatsseketariat bis zur Marokko-Krise. (1)

König 
Humbert 
antwortet 
134 EIN BILLETT 
geschriebene Worte, die ich folgen lasse, weil sie charakteristisch sind für 
ihren hohen Sinn, ihren Geist und ihren Charme: 
„Pflücke mutig die Rosen! Gott hat sie dir gegeben, um dir das Herz 
und die Gedanken durch die Pracht ihrer Farben und den süßen Geruch 
ihrer Blätter zu erfreuen! Und lasse dich nicht durch ihre Dornen er- 
schrecken! Die Freude, die dir im Leben jede kleine, scheinbar vielleicht 
auch unansehnliche Rose bringen kann, ist hunderttausend Dornen- 
stiche wert. Denn der Schmerz der Dornenstiche ist bald geheilt und 
vergessen, der süße Duft der Rose, selbst wenn sie schon lange verwelkt 
ist, bleibt noch für lange Zeit, vielleicht für dein ganzes Leben in deiner 
Erinnerung, und der Gedanke daran kann dir noch die Seele erhellen. 
Viele Leute verderben sich das Leben, weil sie aus feiger Angst vor den 
Dornen die Rosen, die die Engel Gottes auf ihre Straße gepflanzt haben, 
nicht pflücken! Wehe ihnen! Das sind die wirklich Unglücklichen dieser 
Erde. Denn sie sind unglücklich, weil sie es sein wollen! 
Homburg, 9. Settembre 1897. 
Margherita.“ 
Als Antwort auf den schwungvollen Toast des Kaisers verlas in Homburg 
an jenem 4. September 1897 König Humbert eine offenbar von seinem 
Minister des Äußeren aufgesetzte, nicht originelle, eher banale, aber ver- 
ständige und ruhige Rede. Der König sprach die Stellen der Rede, die seine 
Freundschaft für den Kaiser und seine Bewunderung für das deutsche 
Heer zum Ausdruck brachten, mit Bewegung und Schwung. Am Tage nach 
der Galatafel unternahm das deutsche Kaiserpaar mit den italienischen 
Majestäten und deren Gefolge von Homburg aus eine mehrstündige Rund- 
fahrt. Unser Weg führte über Ursel, Kronberg, Königstein, Höchst und 
Frankfurt zurück nach Homburg. 
Ich hatte den italienischen Minister des Äußeren gebeten, in meinem 
Wagen Platz zu nehmen. Der Marchese Visconti-Venosta war keine 
expansive Natur. Deutschland und allem Deutschen stand er kühl gegen- 
über, kühl bis ans Herz hinan. Er war Mailänder, und in dieser großen Stadt, 
die im alten römischen Reich die Roma secunda hieß, waren starke fran- 
zösische Sympathien lebendig geblieben, seitdem der General Bonaparte, 
wenige Tage nachdem er, die Trikolore in der Hand, die Addabrücke bei 
Lodi erstürmt hatte, in Mailand eingezogen war, bestrahlt von der auf- 
gehenden Sonne seines ungeheuren Ruhms. Die damalige Begeisterung 
der Mailänder für die Franzosen hat Stendhal in seinem Meisterroman 
„La Chartreuse de Parme“ geschildert. Sechzig Jahre später, nach Magenta 
und Solferino, stieg der Enthusiasmus für Frankreich noch einmal so hoch,
	        
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