Full text: Bernhard Fürst von Bülow - Denkwürdigkeiten. Erster Band. Vom Staatsseketariat bis zur Marokko-Krise. (1)

DER KAISER, BISMARCK UND RICHARD WAGNER 149 
Phili Eulenburg ausdrückte, „als Hauslehrer, wenn nicht Hausmeier“ bald 
lästig. Mit einem anderen großen Genie, mit Richard Wagner, ging es nicht 
viel anders. Die Frau Kronprinzessin besaß kein Verständnis für den ge- 
waltigen Meister von Bayreuth. Sie liebte nun einmal die zahme Musik von 
Händel und Mendelssohn und verhinderte leider ihren Gemahl, dem Genius 
von Wagner zu huldigen. Ohne seine Frau würde Kaiser Friedrich durch 
seine Liebe für alles echt Deutsche, für das Romantische, für die großen 
Erinnerungen der Nation, wie sie aus „Lohengrin“, aus den „Meistersin- 
gern“, aus dem „Tannhäuser“, aus dem „Ring des Nibelungen“ sprechen, 
sonst gewiß nach Bayreuth geführt worden sein. Als seit der Thronbestei- 
gung Wilhelms II. der Gegensatz zur Mutter nur noch innerlich fortbestand, 
kühlte sich die Bewunderung Seiner Majestät für Wagner erheblich und 
allmählich ganz ab. Ale Kaiser ließ er das Trompeterkorps seines in Bam- 
berg stationierten bayrischen Ulanenregiments noch einmal, übrigens zum 
Entsetzen des weihevollen Hauses Wahnfried, lärmende Fanfaren an der 
Gruft des Meisters blasen, ging aber selbst nicht mehr nach Bayreuth, 
liebte auch Bayreuth nicht mehr und ließ schließlich mit absichtlicher 
Opposition gegen Bayreuth an den Königlichen Theatern von Berlin und 
Wiesbaden mit Vorliebe Auber, Lortzing und ähnliche Komponisten auf- 
führen. Nicht zu reden von den „Hugenotten‘‘ Meyerbeers, die Wilhelm II. 
auch einmal in Begeisterung vexsetzten und die mit großem Aufwand auf- 
geführt werden mußten. Dem Komponisten der Oper „Zar und Zimmer- 
mann“, dem biederen Albert Lortzing, wurde auf Allerhöchsten Befehl sogar 
ein Marmordenkmal im Tiergarten errichtet. 
Ich gab, als ich wieder in Berlin weilte, die Direktive aus, gegenüber dem 
sich verschärfenden spanisch-amerikanischen Zwist Neutralität und große 
Reserve zu beobachten, gegenüber dem Residuum des türkisch-griechischen 
Krieges, der kretischen Frage, völlige Indifferenz an den Tag zu legen. 
Kaiser Wilhelm hatte mir schon bei meiner ersten Berufung nach Kiel 
gesagt, er wünsche, daß ich ihn wie nach Peterhof so auch nach Budapest 
begleite, wo er sich für die Herbstmanöver zum Besuch angesagt hatte. 
Ich traf am 18. September 1897 beim Kaiser ein, der mit seinem Gefolge in 
der Burg, dem hochgelegenen Schlosse des Königs von Ungarn in Ofen, 
abgestiegen war, wo angeblich schon Attila nach der ersten Besitzergreifung 
von Pannonien durch die Magyaren, der „prima occupatio“, wie es in dem 
alten ungarischen Kurialstil hieß, residiert hatte. Aus den Fenstern ge- 
nossen wir eine schöne Aussicht auf das herrlich emporstrebende Pest und die 
majestätische Donau. Prächtige Kais schlossen das Strombett des größten 
deutschen Stromes ein, den mächtige Brücken überspannten. Die berühm- 
teste von ihnen lag gerade unter unseren Blicken, die Kettenbrücke, wo 
1848 der von Kossuth aufgehetzte Pöbel den Generalkommandanten 
In Budapest
	        
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