152 DER FELDMARSCHALLSTAB
Reibungen hatte Wilhelm II. mit seiner eigenen Frau Mutter, der er in
vielen Zügen und besonders in seiner Begabung, in seinem Charme, in
seiner natürlichen Art, sich zu geben, in der Empfänglichkeit und Lebhaftig-
keit seines Wesens, freilich auch in seinem Eigensinn, in seiner Launenbhaftig-
keit, mit seinen vorgefaßten Meinungen so ähnlich war. „Es gibt nicht zwei
Menschen“, sagte mir einmal der Oberhofmeister der Kaiserin Friedrich,
Graf Goetz Seckendorff, „die sich so ähnlich sind wie die Kaiserin und ihr
ältester Sohn. Nur daß der letztere Hosen an hat und mit umgeschnalltem
Säbel geht, die Mutter aber in langen Kleidern und mit einem Schleier.“
Als mir die Kaiserin Friedrich einmal besonders beweglich über ihren
ältesten Sohn, den Kaiser, klagte, erwiderte ich ihr, die Mißverständnisse
und Reibungen zwischen beiden hohen Herrschaften kämen wohl daher,
daß sie einander zu ähnlich wären. Sie glichen einander wie eine Billard-
kugel der anderen, die sich auch gegenseitig abstießen. Die Kaiserin
Friedrich protestierte mit Lebhaftigkeit. Sie wollte nichts mit ihrem Sohn
gemein haben, ihm in keiner Weise gleichen. War die Verschiedenheit
zwischen Wilhelm II. und Franz Josef I. vielleicht der Grund, daß sie gut
miteinander auskamen, so ging diese Unähnlichkeit freilich bis zu einem
Gegensatz, wie er sich größer kaum denken läßt. Wilhelm II. war stets und
in allem persönlich, das Subjektive war recht eigentlich der Kern seines
Wesens, er war, um ein neuerdings totgehetztes Wort zu gebrauchen,
egozentrisch. Kaiser Franz Josef war unpersönlich wie ein Schatten, und
in der Tat konnte der Vers auf ihn angewandt werden:
„Ein Schatten wandelt durch die Weltgeschichte,
Doch der ihn warf, ist nicht zu sehen.“
Wilhelm II. war ruhmredig, er ließ sich hier und da zu geschmacklosen
Renommistereien verleiten. Er wollte immer im Vordergrunde der Bühne
stehen. Kaiser Franz Josef prahlte nicht, er hielt sich, soweit seine Regenten-
pflichten dies erlaubten, so sehr wie möglich im Hintergrunde und sprach
nie von der Schaubühne herab. Wilhelm II. liebte den Prunk, er legte,
wie schon gesagt, soviel Orden wie möglich an. Sein Selbstgefühl wuchs,
wenn er den Feldmarschallstab in die Hand nehmen konnte oder an Bord
eines Schiffes das Fernrohr des Admirals, das auf dem nassen Element den
Stab des Feldmarschalls ersetzte. Kaiser Franz Josef trug nur, wenn er
fremde Souveräne empfangen oder besuchen mußte, andere Orden als seine
eigenen und auch diese en miniature. Ich glaube nicht, daß er je einen
Feldmarschallstab in die Hand genommen hat. Der Gedanke, eine Hof-
jagduniform mit Kanonenstiefeln, Sporen und Federhut anzuziehen, die
Wilbelm II. an diejenigen seiner Freunde und Diener verlieh, die dem edlen
Weidwerk huldigten, würde ihn mit Entsetzen erfüllt haben. Kaiser Franz