158 DAS HAUS HABSBURG
krieg betroffen hat. Aber Österreich ist und bleibt ein Glied am deutschen
Körper. Die österreichische und die habsburgische Geschichte sind zu eng
mit der deutschen verflochten, als daß wir der alten Donaumonarchie nicht
einen würdigen Abschluß wünschen sollten. Ich habe nie vor Kaiser Franz
Josef gestanden, ohne, obwohl ich durch und durch Preuße bin und nicht
die Sünden der Habsburger an Deutschland vergesse, innerliche Bewegung
zu empfinden bei der Erinnerung an die alten Zusammenhänge zwischen uns
und diesem Hause. Wie viele und wie große Ereignisse, welche Höhen und
welche Tiefen umfassen die sechs Jahrhunderte zwischen dem Tage, an
dem Graf Rudolf von Habsburg 1273 die Habichtsburg im Aargau, wo
seines Stammes Hoheit ausgegangen, verließ, um nach Frankfurt am Main
zu reiten, und dem Zusammenbruch des habsburgischen Reichs im Jahre
1918: die Wahl Rudolfs zum deutschen König, der Sieg über den Böhmen-
könig Ottokar, die Erwerbung von Österreich und Steiermark, von Kärnten
und Krain, von Tirol und vom Breisgau, von Istrien und Triest, die Heirat
mit Maria von Burgund, die Verbindung mit Johanna von Aragon. Tu
felix Austria nube! Das Zepter der Habsburger erstreckte sich vom
deutschen Kaiserthron über Spanien, Holland, Belgien, über ganz Italien
von Mailand bis Palermo, über die Freigrafschaft, über einen Teil des heu-
tigen Frankreich. Habsburg herrscht über Südamerika, Zentralamerika
und einen großen Teil von Nordamerika. Es gewinnt Böhmen, Schlesien,
Ungarn, Kroatien. „Österreich, an Ehren und an Siegen reich.“ Prinz
Eugenius, der edle Ritter, Zenta, Belgrad, Erzherzog Karl und der Sieg bei
Aspern, den Heinrich von Kleist jubelnd begrüßt, und noch im vergangenen
Jahrhundert der alte Radetzky: In seinem Lager war Österreich. Kaiser
Franz Josef, der bei all seinen Schwächen und Fehlern nicht nur durch die
Länge seiner Regierung, sondern auch durch alle Schicksalschläge, die auf
ihn niederstürmten und nur in den Schicksalstragödien des Sophokles und
in den Königsdramen des Shakespeare ihresgleichen finden, immer ehr-
würdig sein wird, ist für die Geschichte ein Abschluß, der Wehmut und das
Gefühl des Vergänglichen alles Irdischen ohne häßliche Reminiszenzen
hervorruft. Dem deutsch-österreichischen Stamm aber möge die Zukunft
vergönnen, daß er einmal als Glied des Deutschen Reiches den Rückweg
zur Mutter Germania findet.
Kaiser Franz Josef begann am 19. September 1897 in der Burg zu Ofen
die Unterredung mit mir, wozu der Genius loci aufforderte, mit einem Rund-
blick auf die Balkanfürsten. Am schlechtesten kam dabei Fürst Ferdinand
von Bulgarien weg. Fürst Ferdinand hatte in jungen Jahren in der öster-
reichischen Armee gedient. Er war, wie manche andere Sprossen des Hauses
Koburg, geistig sehr begabt und zweifellos aus dem Holz, aus dem erfolg-
reiche Fürsten geschnitzt werden. Er war an Beweglichkeit, an Freiheit