XL. KAPITEL
Rede Wilhelms II. bei der Paradetafel in Budapest (18. IX. 1897) - Der Cercle, die
Erzherzöge - Kaiser Wilhelm in Wiesbaden, der Zar in Darmstadt - Zusammenkunft
der beiden Kaiser » Großherzog Friedrich und Großherzogin Luise von Baden « Er-
nennung zum Staatssekretär (20. X. 1897) - Mit dem Kaiser auf der Saalburg - Wil-
helm Il. und die römischen Kaiser » Seine Stellung zu Denkmülern » Theaterintendant
Graf Georg Hülsen - Lauff und Knackfuß - Wilbelm II. in Kunstfragen » Besuch in
Schillingsfürst bei Fürst und Fürstin Hohenlohe
KK Franz Josef war während der langen Unterredung, mit der er
Kaiserliche mich beehrt hatte, sehr liebenswürdig gewesen. Aber der mir durch die
Banketirede Äußerungen aller Österreicher und Nichtösterreicher, die ihn näher kannten,
schon früher vermittelte Eindruck, daß kühle Nüchternheit in seinem Wesen
überwiege, konnte durch meine Audienz nur bestärkt werden. Das ließ mich
wünschen, daß in den Toasten bei der für den 21. September angesagten
Paradetafel die temperamentvolle Art Wilhelms II. nicht allzusehr von
der Abgeklärtheit seines Gastgebers abstechen möge. Als ich diesen Wunsch
dem Kaiser aussprach, erwiderte er mir ohne eine Spur von Gereiztheit in
freundschaftlichstem Tone, ganz gemütlich: „Mein lieber Bernhard, Sie
sind gewiß viel klüger als ich. Aber auf Reden verstehe ich mich besser.
Sie haben, soviel ich weiß, noch nie eine öffentliche Rede geschwungen.
Ich habe schon viele Reden gehalten und kann ohne Eitelkeit sagen, daß
meine Reden nicht übel waren. Lassen Sie mich ruhig nach meiner Art
reden.“
Bei dem Festmahl verlas Kaiser Franz Josef mühsam, stockend und
mit müder Stimme seinen von seinem Minister des Äußeren aufgesetzten,
sehr vorsichtigen, eher kühlen, ganz nüchternen Trinkspruch. Kaiser Wil-
helm erhob sich sofort und hielt eine der schwungvollsten Reden, die ich
aus seinem Munde gehört habe. Ich kenne kaum eine andere Rede des
Kaisers, die für seine Art so bezeichnend wäre. Er begann mit der Versiche-
rung, daß der im herrlichen Budapest ihm gewordene großartige Empfang
ihn überwältigt habe. Von Napoleon I. sagte Talleyrand, er wäre „le moins
amusable des hommes“. Wilhelm II. war dagegen leicht zu unterhalten,
leicht zu gewinnen und namentlich leicht zu begeistern. Ich bin während
meiner Amtszeit selten irgendwo mit ihm eingetroffen, ohne daß er mir