DIE BRÜDER HÜLSEN 175
des vorigen Jahrhunderts die weitesten Kreise und gerade Berliner Kreise
dem unsterblichen Genius von Wagner gegenüberstanden. Wer heute die
Artikel liest, mit denen fast die gesamte Berliner Musikkritik den „Tann-
häuser“, den „Lohengrin“, „Tristan und Isolde‘ begrüßte, der wird mit
Faust ausrufen:
„Mich dünkt, ich hör’ ein ganzes Chor
Von hunderttausend Narren sprechen.“
Botho von Hülsen und seine Gemahlin, eine geborene Gräfin Hacseler,
waren nicht nur in der Künstlerwelt beliebt und geachtet, sondern führten
in den fünfziger, sechziger und siebziger Jahren des vorigen Jahrhunderts
in Berlin ein Haus, an das sich alle gern erinnern werden, die Bildung, Geist
und Liebenswürdigkeit zu schätzen wissen. Der zweite Sohn dieses gast-
freundlichen Ehepaars, Graf Georg von Hülsen-Haeseler, trat in die Fuß-
tapfen seines Vaters und wurde, nachdem er mehrere Jahre als Intendant
in Wiesbaden gewirkt hatte, 1903 Generalintendant in Berlin, was er bis
zur Novemberrevolution blieb. Es wurde über ihn gewitzelt, er mag auch
der Vorliebe des Kaisers für mittelmäßige Musik a la Meyerbeer, Lortzing
und Auber zu sehr nachgegeben haben, aber er war doch ein Mann von
Geist und Herz. Bedeutender war sein Bruder, Graf Dietrich von Hülsen-
Haeseler, von 1894 bis 1899 Militärattache in Wien, 1899 bis 1901 Chef des
Stabes des Gardekorps, seit 1901 Chef des Militärkabinetts. Er war ein
Mann, der in humorvoller Form — er drückte sich gern in unverfälschtem
Berliner Dialekt aus — sehr trefiende Bemerkungen machte, freimütig
gegenüber dem Kaiser, voll von gesundem Menschenverstand, dabei von
nobler Gesinnung. Daß er, gerade während der Novembertage, am 14. No-
vember 1908 in Donaueschingen vom Schlage gerührt plötzlich starb, war
ein schwerer Verlust für Wilhelm II., dem er vor und in dem Weltkrieg
sehr gefehlt hat.
Der 18. Oktober, jedem guten Preußen und vaterländisch gesinnten
Deutschen doppelt heilig als Jahrestag der Völkerschlacht von Leipzig
wie als Geburtstag des Kaisers Friedrich, sollte 1897 in Wiesbaden durch
eine Festvorstellung im Königlichen Theater gefeiert werden. Gegeben
wurde auf Allerhöchsten Befehl ‚Der Burggraf‘“ von Joseph Lauff. Ich
glaube nicht, daß jemals über die Bretter irgendeiner deutschen Bühne
ein Stück gegangen ist, das so wenig selbst den bescheidensten Ansprüchen
genügte, die auch das bescheidene Publikum einer bescheidenen Kleinstadt
an ein Theaterstück zu stellen gewöhnt und berechtigt ist. In einem Lande,
das unsterbliche Meisterwerke der größten Dichter, eines Goethe und Schil-
ler, eines Lessingund Kleistund Hebbel sein eigen nennt, durfte dem Publi-
kum ein solches Stück nicht geboten werden. Ich saß in einer Parterreloge
Lauf-
Premiere