FÜRST HONENLOHE, DIE FÜRSTIN, FRAU VON IL. 179
genau das Kunstwerk. Dann bemerkte er mit der ganzen Ruhe eines römi-
schen Prälaten: „Questo basso-rilievo & fatto con molto giudizio!“
Ich fand den Fürsten Hohenlohe präokkupiert durch die zum Teil
allerdings sehr exzentrischen Reden, die Wilhelm II. im Laufe des Sommers
gehalten hatte und denen nicht lange nachher die gleichfalls recht wunder-
liche Rekrutenansprache vom 18. November folgen sollte. Der alte Fürst,
dem offenbar wieder fatale Erinnerungen an Ludwig II. von Bayern auf-
stiegen, frug mich, ob ich den Kaiser wirklich für geistig normal hielte. Ich
erwiderte meinerseits wiederum mit voller Überzeugung und gutem Ge-
wissen, daß der Kaiser sehr impulsiv wäre, recht unvorsichtig, leider oft
taktlos, daß er verwöhnt sei, weil es ihm, Gott sei Dank, bisher immer gut
gegangen wäre, daß er schon als junger Mensch zu Renommistereien ge-
neigt habe, dal} er, um zu renommieren oder um ein unbequemes Geständ-
nis zu vermeiden, um sich aus einer peinlichen Lage herauszuziehen, es oft
nicht genau mit der Wahrheit nehme — aber geisteskrank sei er sicherlich
nicht. Zwischen ihm und Ludwig II. bestände gar keine Ähnlichkeit.
Im Schlosse zu Schillingsfürst hatte sich nicht allzu lange vor meinem
Besuch eine häusliche Szene abgespielt, die für den Fürsten und für die
Fürstin gleich charakteristisch war. Die Fürstin war für einige Zeit verreist
gewesen. Beim Fürsten weilte, um ihm die Strobwitwerzeit zu versüßen,
eine ihm trotz seines hohen Alters intim befreundete Dame, Frau von H.
Beide saßen traulich vereint, als die Fürstin Hohenlohe angemeldet wurde.
Frau von H. wollte fliehen; der Fürst, ohne einen Augenblick seine ge-
wohnte Ruhe zu verlieren, hieß sie bleiben. Die Fürstin trat herein, der
Fürst machte die beiden Damen miteinander bekannt. Nun machte Frau
von H. einen neuen Versuch, das Zimmer zu verlassen. Die Fürstin aber
rief ihr freundlich zu: „Nicht doch, meine Beste! Qui va ala chasse, perd sa
place. Chlodwig ist ein Schmetterling, hat man ihn einmal, so muß man
ihn festhalten.“ Fürst Chlodwig von Hohenlohe-Schillingsfürst näherte
sich damals den achtziger Jahren. In der späten Nachmittagsstunde des
Tages vor meiner Abreise von Schillingsfürst führten mich der Fürst und
die Fürstin zu ihrer Grabkapelle. Ich befand mich zwanzig oder dreißig
Schritte hinter ihnen. In der klaren Herbstluft, umweht von dem scharfen
Ostwind, der über die fränkischen Hügel und Täler strich, blickte das alte
gebrechliche Paar auf die Gruft, die sie beide so bald aufnehmen sollte. So
sche ich das Bild der beiden, denen ich viele Jahre meines Lebens nahe-
gestanden habe, noch heute vor mir.