XU. KAPITEL
Reitertod des Generals Adolf von Bülow - Seine Charakteristik - Reichskanzler-
kandidaten Wilhelms II. + Ermordung katholischer Missionare in China « Nach Rom
zur Überreichung des Abberufungsschreibens + Ansprache an die deutsche Kolonie,
zurück nach Berlin - Brief von Theodor Mommsen « Der russische Botschafter über
Kiautschou « Entsendung des deutschen Geschwaders nach Ostasien « Brief des
Prinzen von Wales an die Kaiserin Friedrich über deutsche Seegelüste »- Kaiserin
Friedrich, ihre Freundschaft mit Frau von Bülow » Eröffnung des Deutschen Reichs-
togs durch Wilhelm II. (30. XI. 1897) » Erste Reichstagsrede
on Schillingsfürst hatte ich mich direkt nach Rom begeben, um mein
Abberufungsschreiben als Botschafter zu überreichen. Während ich dort
wenige Tage nach meiner Rückkehr nachmittags an meinem Schreibtisch
saß, erhielt ich von einem mir unbekannten Major die telegraphische Nach-
richt, daß mein Bruder Adolf auf einer Schnitzeljagd in der Nähe von
Darmstadt einen sehr schweren Sturz gehabt habe. Einige Stunden später
traf die Todesnachricht ein. Das störrische Pferd, das er ritt, wollte eine
hohe Hürde nicht nehmen. Mit Schenkel und Sporen zum Sprung gezwun-
gen, stieg es in die Luft und überschlug sich, den Reiter unter sich begra-
bend. Mein Bruder Adolf, nur ein Jahr jünger als ich und mein Begleiter
bis zum Jahre 1869, wo er als Avantageur bei den 2. Gardedragonern ein-
trat, während ich meine Studien fortsetzte, war körperlich wie geistig eine
eiserne Natur. Alles war bei ihm aus einem Guß. Deshalb war er gegenüber
den oft widerspruchsvollen Vorgängen dieser komplizierten Welt, auch
auf politischem Gebiet, zu einseitig. Seine militärische Begabung wurde
von keiner Seite bestritten. Er hatte eine große Eigenschaft: er war absolut
furchtlos, und mit Recht steht auf seinem Grabstein auf dem Zwölf-
Apostel-Kirchhof in Berlin der Spruch des Propheten Jesaias: „Fürchte
dich nickt, ich bin mit dir; weiche nicht, denn ich bin dein Gott.“ Er hatte
sich schon 1870 als Leutnant im 2. Gardedragonerregiment bei Mars-la-
Tour durch hervorragende Bravour ausgezeichnet, war später ein vortreff-
licher Regimentsadjutant und Kriegsakademiker gewesen, hatte die
Königsulanen in Hannover kommandiert und beim 4. Armeekorps in
Magdeburg als Chef des Stabes wiederum die Aufmerksamkeit auf sich
gezogen. Er genoß das besondere Vertrauen und trotz seiner Jugend die