Holstein
gegen
Kiautschou
186 DER RÄNKESCHMIED HOLSTEIN
ich mich über eine deutsche Y'estscetzung in Ostasien freuen, aber meiner-
seits den für Rußland nützlichsten Stützpunkt aussuchen und besetzen,
als welcher ja in russischen Zeitungen schon lange Port Arthur genannt
worden wäre. Osten-Sacken, der eine gute Feder schrieb, „la grande plume
du cabinet de St. Petersbourg‘“, wie esin seinerpompösen Weise Gortschakow
nannte, redigierte in meinem Beisein ein Telegramm an Graf Murawiew, das
er mir zeigte. Ich telegraphierte gleichzeitig in dem gleichen Sinne an unsern
Botschafter in St. Petersburg. Am selben Tage sprach ich mit dem eng-
lischen Botschafter, dem ich die Notwendigkeit unseres Vorgehens in Ost-
asien auseinandersetzte. Mein alter Freund Lascelles kannte sein Land zu
genau, um nicht zu wissen, daß die englische Presse an dem Standpunkt des
„dog in the manger“ festhalten würde, d.h. an der alten englischen Auf-
fassung, daß politisch und vielleicht noch mehr wirtschaftlich niemand in
der Welt etwas zu suchen habe als England, glaubte aber, daß die englische
Regierung einen ernstlichen Einspruch nicht erheben würde. Natürlich sei es
aber möglich, daß auch sie nach einem Stützpunkt im Golf von Tschili Aus-
schau halten würde. England entschied sich dann für Wai-Hai-Wai,
schräg gegenüber Port Arthur, nicht weit vom Kap Schantung.
Erschwert wurde mir, und das in ernster Stunde, die kritische Lage
durch die Quertreibereien von Holstein, der nun einmal bei ungewöhnlicher
Begabung ein unverbesserlicher, weil von pathologischem Mißtrauen er-
füllter Ränkeschmied war. „C’est pour des hommes pareils qu’on avait bäti
jadis la Bastille‘“‘, bemerkte über Holstein einmal Donna Laura Mingbetti,
die im übrigen sein exzellentes Französisch und seinen Esprit schätzte.
Weniger positiv als negativ, mehr zersetzend als aufbauend angelegt,
war Holstein geneigt, sich für um so unentbehrlicher zu halten, je weniger
sicher sich seine Vorgesetzten fühlten. Er nahm nicht mit Unrecht an, daß
schwankende Gestalten anlehnungsbedürftiger wären als Männer, die mit
festen, markigen Knochen unerschütterlich stehen aufder wohlgegründeten,
dauernden Erde. Bei solcher Auffassungsweise beunruhigte ihn die freund-
liche Stimmung des Kaisers für mich. So verfiel er auf die Idee, in der ost-
asiatischen Frage den Kanzler Hohenlohe anzutreiben, den Staatssekretär
Bülow aber zurückzuhalten. Während Holstein mir in aufgeregten Privat-
telegrammen alle Gefahren des ostasiatischen Unternehmens in brennenden
Farben an die Wand malte, feuerte er den Fürsten Hohenlohe an, dem Kaiser
gegenüber eine zuversichtliche und kühne Sprache zu führen. Ich durch-
schaute aber das Holsteinsche Spiel und war auch von der politischen
Richtigkeit meines Vorgehens viel zu überzeugt, um umzufallen. Auch war
Fürst Hohenlohe zu vornehm und zu alt, um sich auf solche Intrigen
einzulassen.
Bei diesem Anlaß wie später bei manchen anderen Gelegenheiten glich