Full text: Bernhard Fürst von Bülow - Denkwürdigkeiten. Erster Band. Vom Staatsseketariat bis zur Marokko-Krise. (1)

IMPROVISATION NACH DER THIRONREDE 191 
verstiegen: „Wer kein braver Christ ist, der ist auch kein guter Soldat.“ 
Diesem Passus hatte Lucanus, ohne Seine Majestät zu fragen, bei Vorlage 
des Stenogramms der Rede die Fassung gegeben: „Wer kein braver Christ 
ist, der ist kein braver Mann.“ Wie gewöhnlich in solchen Fällen, sickerte 
aber die richtige Fassung allmählich durch. Der „Kladderadatsch“ vom 
98. November 1897 brachte ein Bild, das den Teufel darstellte als nordisches 
Pbantom, mit Hörnern, Schweif und Klauen, der seinen langen Schweif 
betrachtet, in den er sich einen Knoten gemacht hat. Über den Wolken 
lesen Alexander der Große, Leonidas und Napoleon lächelnd eine Zeitung. 
Friedrich der Große naht, auch mit einer Zeitung und dem Krückstock in 
der Hand. Über ihm schwebt mit Perücke und ironischem Grinsen Voltaire. 
Der Satan spricht: „Endlich weiß ich, was der Knoten bedeutet, den ich 
mir in den Schwanz gemacht habe. Ich wollte ja den Alten Fritz holen, 
denn wer kein braver Christ ist, der ist kein braver Mann und auch kein 
braver preußischer Soldat und kann unter keinen Umständen das erfüllen, 
was in der preußischen Armee von einem Soldaten verlangt wird. Na, viel- 
leicht gelingt es mir, bei einer Superrevision das Versäumte nachzuholen 
und die himmlischen Heerscharen von diesem schlechten Christen und 
schlechten Soldaten zu befreien.“ Für diesen Scherz wurde der damalige 
Chefredakteur des „Kladderadatsch‘, Johannes Trojan, ein liebenswürdiger 
Dichter und Mensch und ein guter Patriot, zu zwei Monaten Festungshaft 
verurteilt. 
Die Thronrede, die Wilhelm II. am 30. November 1897 verlas, war more 
solito vom Staatsministerium redigiert worden, der Passus über die aus- 
wärtige Politik von mir. „Die Ermordung deutscher Missionare und die 
Angriffe auf eine der unter meinem Schutz stehenden und Mir am Herzen 
liegenden Missionsanstalten in China haben Mich genötigt, Mein ostasiati- 
sches Geschwader in die dem Tatort zunächst gelegene Kiautschou-Bucht 
einlaufen und Truppen dort landen zu lassen, um volle Sühne und Sicher- 
heit gegen Wiederkehr ähnlicher beklagenswerter Ereignisse zu erlangen. 
Die politischen Beziehungen zu den fremden Staaten sind durchaus er- 
freulich. Meine Begegnungen mit den verbündeten und befreundeten Mon- 
archen sowie der glänzende und herzliche Empfang, der Mir bei meinen 
Besuchen in Peterhof und Budapest zuteil wurde, haben Mir hierfür aufs 
neue wertvolle Bürgschaften geliefert. Alle Anzeichen berechtigen zu der 
Aussicht, daß wir, mit Gottes Hilfe, auch fernerhin der friedlichen Ent- 
wicklung Europas und des deutschen Vaterlandes entgegensehen dürfen.“ 
Diese Fassung war dem Kaiser nicht schwungvoll genug. Nachdem er die 
Thronrede verlesen hatte, ließ er ihr in freier Rede noch eine Ansprache 
folgen, in der er an den Eid erinnerte, den er vor zwei Jahren auf das ruhm- 
reiche Feldzeichen seines 1. Garderegiments zu Fuß geleistet habe: die
	        
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