Full text: Bernhard Fürst von Bülow - Denkwürdigkeiten. Erster Band. Vom Staatsseketariat bis zur Marokko-Krise. (1)

DIE „GEPANZERTE FAUST“ 203 
Mann bei seinen Lebzeiten huldigten, nach seinem Tode ihn zum National- 
heiligen emporschraubten. Es war bezeichnend, daß, als die Bloßstellung 
von Matthias Erzberger begann und sogar schon recht weit vorgeschritten 
war, Herr Paasche ihn in öffentlicher Rede als eines der kenntnisreichsten 
und arbeitsfreudigsten Mitglieder des Deutschen Reichstags feierte. Herr 
Paasche war es auch, der um die gleiche Zeit, wo er Erzberger begeistertes 
Lob spendete, bei der Rückkehr des Staatssekretärs von Kühlmann aus 
Rumänien nach Berlin auf dem Anhalter Bahnhof diesen in demselben 
Moment als den Sieger im diplomatischen Kampfe in Bukarest begrüßte, 
wo Herr von Kühlmann durch diplomatische Unfähigkeit wie durch sein 
Auftreten in der rumänischen Hauptstadt unsere Freunde und Anhänger 
in Bulgarien, Rumänien und der Türkei in peinliche Verlegenheit versetzt 
hatte. 
Wilhelm II. hatte seinem Bruder, dem Prinzen Heinrich, versprochen, 
daß er ihm vor dessen Abfahrt nach China einen Abschiedsbesuch in Kiel 
abstatten würde, und mich aufgefordert, ihn dorthin zu begleiten. Am 
Morgen unserer Abreise, am 15. Dezember 1897, erhielt ich ein Telegramm 
aus St. Petersburg, aus dem ich ersah, daß meine Unterredung mit dem 
Grafen Osten-Sacken und meine gleichzeitig an unsere Botschaft in 
St. Petersburg ergangene Instruktion Erfolg gehabt hatten. Die russische 
Regierung gab ihren Widerstand gegen unsere Festsetzung in Kiautschou 
auf, indem sie gleichzeitig ein russisches Geschwader nach Port Arthur 
entsandte, um diesen für sie wichtigen Hafen zu besetzen. Mir fiel ein Stein 
vom Herzen. Wie es aber dem Menschen bisweilen begegnet, daß er gerade 
im Augenblick einer glücklichen Wendung eine Dummheit macht — statt 
diese gute Nachricht bis auf weiteres für mich zu behalten, teilte ich sieschon 
während der Eisenbahnfahrt nach Hamburg dem Kaiser mit. Wäre 
Wilhelm II. nicht durch diese frohe Kunde nach seiner Art alsbald in über- 
mütige Stimmung versetzt worden, so würde er wahrscheinlich am Abend 
dieses Tages nicht die bedauerliche Rede von der „gepanzerten Faust“ 
gehalten haben. Zunächst trafen wir in Hamburg ein, wo wir die Börse 
besuchten. Der große Börsensaal war gedrängt voll. Der Hamburger „Ehr- 
bare Kaufmann“ war in Massen erschienen, um seiner Freude über unser 
Vorgehen in Ostasien Ausdruck zu geben. Im Namen der Börse hielt Adolf 
Woermann, einer der tüchtigsten Hamburger Großkaufleute, mit einer 
wahren Bärenstimme und unter begeistertem Beifall der Kaufmannschaft 
eine Ansprache, in der er dem Kaiser dankte, daß er unsere Handelsbezie- 
hungen zu Ostasien, wo Hamburg und Deutschland große Zukunftsaus- 
sichten winkten, unter seinen starken Schutz genommen habe. Mit seinen 
Hoffnungen und Wünschen stehe ganz Hamburg hinter dem Kaiser und 
seiner Regierung. In diesem Augenblick fühlte jeder den Pulsschlag der 
Rede 
des Kaisers 
in Kiel
	        
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