DAS MARGINAL 211
Kiautschou-Aktion von mir und Tirpitz geführt worden wäre. Der von mir
hochverehrte Fürst Hohenlohe, dem ich während eines Vierteljahrhunderts
nahegestanden hätte, habe, wie dies dem Kaiser wohl bekannt wäre, 1897
schon wegen seines hohen Alters für die Kiautschou-Aktion nur seinen
Namen hergeben können. Was aber den Admiral Hollmann angehe, so
habe mir dieser vor meiner Berufung zum Staatssekretär des Auswärtigen
Amts in Rom erklärt, ich möchte mich nur nicht nach Berlin locken lassen.
Und wenn ich mit Menschen- und mit Engelszungen redete, würde ich den
Reichstag nicht für die Flottenpläne des Kaisers gewinnen können und
ebensowenig für ein Vorgehen in Ostasien; in beiden Richtungen bewege
sich der Kaiser in Illusionen. Sehr verlegen erwiderte mir der Kaiser, er
habe bei seinem Marginal natürlich in keiner Weise an mich gedacht, er
wisse wohl, daß er Kiautschou in erster Linie mir verdanke; er habe sich
nur über Tirpitz geärgert, der bei der Kiautschou-Expedition wie bei dem
Bau der Flotte den Ruhm für sich haben wolle. „Tirpitz will eich immer in
den Vordergrund schieben. Er macht es wie der alte böse Bismarck, der sich
auf Kosten meines Großpapas in die Höhe schraubte.‘‘ Was Hollmann an-
gehe, so sei dieser ein so guter Kerl. „Hollmännchen“ habe sehr darunter
gelitten, daß Tirpitz und nicht er selbst bei der Flottenvermehrung wie
bei der Besitzergreifung von Kiautschou beteiligt gewesen sei. Ich erinnerte
Seine Majestät daran, daß Hollmann zurückgetreten wäre, weil er die kaiser-
lichen Pläne und Wünsche zu realisieren sich ganz außerstande gefühlt
habe. „Eure Majestät werden nicht weit kommen“, schloß ich, „wenn Sie
die schlechten Musikanten immer wieder den leistungsfähigen vorziehen,
nur weil Sie die ersteren für gut, d. h. für bequemer halten.“ Ich hatte mich
fast noch mehr über die Roheit dieses Marginals geärgert als über die darin
enthaltene Geschichtsfälschung. Ich forderte und erhielt die Ermächtigung,
dem Auswärtigen Amt, insbesondere dem damaligen Unterstaatssekretär,
Freiherrn von Rotenhan, und dem Geheimen Legationsrat von Holstein
das tiefe Bedauern Seiner Majestät über seine aus mißverständlicher Beur-
teilung der Verhältnisse hervorgegangene Bemerkung auszusprechen. Ich
erwähne diesen unerquicklichen Zwischenfall anticipando, weil er mit be-
sonderer Klarheit die beständige Besorgnis des Kaisers zutage treten läßt,
von seinen Ratgebern, Ministern, Generalen, Admiralen in den Schatten
gestellt zu werden. Er wollte ex post die Flotte und Kiautschou allein mit
Hohenlohe und Hollmann gemacht haben, weil er sich sagte, daß niemand
diesen beiden alten und verbrauchten Herren eine ermstliche Mitwirkung
zutrauen würde. Es ist dieselbe Mentalität, die Wilhelm II. dazu trieb,
während das Reichsschiff in den furchtbaren Kriegsjahren von Sturm und
Wellen hin und her geworfen wurde, eine Unzulänglichkeit nach der an-
deren an das Steuerruder zu stellen. Der Feldmarschall von Hahnke
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