Full text: Bernhard Fürst von Bülow - Denkwürdigkeiten. Erster Band. Vom Staatsseketariat bis zur Marokko-Krise. (1)

Der Kaiser 
an Phili 
224 BALSAM FÜR PHILIPP EULENBURG 
Grafen Philipp Eulenburg, das nachstehende Telegramm: „Für Deine 
treue und arbeitsame Freundschaft danke Ich Dir von tiefstem Herzen. 
Möge Mir Deine nach Idealen strebende Person stets zur Stärkung Meines 
Strebens erhalten bleiben. Das ist Mein tägliches Gebet. Ich habe Dich zum 
Wirklichen Geheimen Rat mit der Exzellenz ernannt. Auf baldiges Wieder- 
sehen, so Gott will.“ Philipp Eulenburg war durch diesen Beweis kaiser- 
licher Gnade und Freundschaft um so beglückter, als er unter dem mora- 
lischen Zusammenbruch seines einzigen Bruders, des Grafen Friedrich 
Eulenburg, schwer gelitten hatte. Im Laufe eines unerquicklichen Ehe- 
scheidungsprozesses zwischen diesem und seiner Frau, einer geborenen 
von Schaeffer-Voit, späteren Gräfin Wartensleben, die ihrem Gatten ein 
großes Vermögen zugebracht hatte, waren bei ihm unnatürliche Neigungen 
aufgedeckt worden. Philipp Eulenburg war durch die Bloßstellung seines 
Bruders so erschüttert gewesen, daß er mir, den er nach dem plötzlichen 
Tode meines Bruders Adolf sehr betrübt sah, mit dem Ausdruck voller 
Aufrichtigkeit sagte: „Wie viel leichter zu tragen und wie viel reiner ist 
dein Schmerz als der meine! Dein Bruder starb einen schönen Reitertod. 
Der meinige ist moralisch tot und flößt der Welt nur noch Abscheu ein.“ 
Wer mir damals gesagt hätte, daß Philipp Eulenburg einmal denselben 
Weg gehen würde wie sein Bruder, den würde ich für einen Narren erklärt 
haben. Nach Empfang des kaiserlichen Telegramms, das ihn in Karlsbad 
erreichte, schrieb mir Phili: „Wenn Du weißt, was ich gelitien habe, so 
kannst Du nun auch ermessen, was ich empfinden mußte, als dieser Klang 
der tiefen Freundschaft und wahrhaft ergreifenden Menschlichkeit Seiner 
Majestät zu meinem Herzen drang. Mir ist, als träumte ich, und anderer- 
seits, als erwachte ich aus einem bösen Traum. Siehst Du den geliebten 
Kaiser, so sage ihm, daß Er in Seinem Leben noch niemals so wohlgetan 
habe. Seine Worte waren Balsam auf ein schwerverwundetes Herz.‘ Schon 
vorher, im Februar 1898, hatte mir Philipp Eulenburg nach meiner Reichs- 
tagsrede über Kiautschou und Kreta geschrieben: „Unter den vielen, die 
sich Dir glückwünschend nahten, will ich doch nicht fehlen. Von mir weißt 
Du, daß meine Freude neidlos und rein ist. Bei anderen wirst Du bezüg- 
lich des Neides nicht sicher sein. War er in gewissen Herzen schon vor- 
handen, so wird er bei Deinem leuchtenden Wege noch viele andere 
ergriffen haben. Du wirst von jetzt ab dreifach vorsichtig sein und dreifach 
rücksichtslos vorgehen müssen, um eine sichere Garde um Dich zu fühlen. 
Niemand hatte seit Bismarck solchen Erfolg wie Du. Schwindlig wirst Du 
nicht davon werden — aber vergiß nicht le revers de la medaille.“ 
Ähnlich wie Holstein hatte auch Phili die Tendenz, mir meine Stellung 
als unsicher und jedenfalls als von vielen Seiten bedroht erscheinen zu 
lassen, in der Annahme, daß ich bei solcher Beurteilung der Verhältnisse
	        
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