IN BISMARCKS STERBEZIMMER 231
Hügel gegenüber dem Friedrichsruher Herrenhaus beigesetzt werden wolle.
Der Kaiser schien verstimmt, insistierte aber nicht weiter. Bei einem spä-
teren Zusammensein erzählte mir Herbert, sein Vater habe die Stelle für
seine Grabstätte selbst ausgesucht. Darauf hingewiesen, daßsieunmittelbar
neben dem Eisenbahngleise liegen würde, habe sein Vater geantwortet:
„Desto besser! Dann ist doch noch Bewegung um mich.“ Schräg gegen-
über der Grabstätte des Fürsten Bismarck steht die Bronzegruppe, die
einen Hirsch im Kampfe mit Hunden darstellt. Sie war dem Fürsten von
süddeutschen Verehrern geschenkt worden. Gern hatte er sie betrachtet
und bezog sie auf seine langen und bitteren Kämpfe mit den Feinden
eines starken Preußens und eines monarchischen, mächtigen und großen
Deutschlands. Das Mausoleum, in dem Fürst Bismarck jetzt ausruht von
so vielen und heldenhaften Kämpfen, ist eine Nachbildung des Mausoleums
des Theoderich bei Ravenna, der für mich erhabensten aller Begräbnis-
stätten der Erde in ihrer monumentalen Einfachheit und strengen Größe,
in ihrer Einsamkeit und weltabgewandten Stille. Die Trauerfeier, schlicht
und würdig, war einer der unvergeßlichsten Augenblicke meines Lebens.
Als der Geistliche seine kurze, ganz auf die christliche Note gestimmte An-
sprache in dem Saale beendigt hatte, wo der geschlossene Sarg stand, be-
trat ich, von Herbert geführt, allein mit ihm das Schlafzimmer des Für-
sten. In diesem einfachen Zimmer, wohl dem bescheidensten Zimmer in
dem ganzen bescheidenen Hause, hing nur ein Bild, ein schlichter Holz-
schnitt, gerade dem Sterbebett gegenüber, in dem Bismarck seine große
Seele ausgehaucht hatte. Es war das Bild von Ludwig Uhland, das Bild des
Dichters, der 1849 in der Frankfurter Paulskirche gesagt hatte, es werde
kein Haupt über Deutschland leuchten, das nicht mit einem reichlichen
Tropfen demokratischen Öls gesalbt wäre. Und unerschütterlich wurde in
mir die Überzeugung gefestigt, daß nur die Verbindung altpreußisch-kon-
servativer Tatkraft und Zucht mit deutschem weitherzigem und liberalem
Geist die Zukunft der Nation glücklich gestalten könne.
Bei der Trauerfeier sah ich zum ersten Male seit Jahren die einzige
Schwester des Fürsten, Malwine von Arnim-Kröchlendorff, wieder. Sie
stand damals im siebzigsten Lebensjahr. Sie hatte ihren Bruder schon als
Studenten, als Referendar, als Gutsbesitzer und Deichhauptmann, als
einen für mindestens exzentrisch geltenden Abgeordneten der äußersten
Rechten gekannt. Sie selbst erinnerte von den drei Geschwistern am
meisten an die korrekte, nüchterne, cher kalte Mutter. Sie wird sich sehr
gefreut haben, als der Wildfang Otto Bundestagsgesandter wurde. Sie
war gewiß ganz mit seiner Tätigkeit als Gesandterin dem vornehmen Peters-
burg, in dem eleganten Paris einverstanden. Und dann erlebte sie, daß der
Bruder, der „tolle Bismarck“, an das Steuerruder des brandenburg-
Bismarcks
Schwester