Full text: Bernhard Fürst von Bülow - Denkwürdigkeiten. Erster Band. Vom Staatsseketariat bis zur Marokko-Krise. (1)

Abreise nach 
Konstan- 
tinopel 
xXVIL KAPITEL 
Die Orientreise - Letzte Begegnung mit König Humbert - Gefolge der Majestäten: 
Oberhofmeister Freiherr von Mirbach, Kabinettsrat v. d. Knesebeck, Oberhofmeisterin 
Gräfin Brockdorlf, Staatsdame Gräfin Keller, Hofdame Fräulein von Gersdorff, Ober- 
hofprediger Dryander - Konstantinopel » Audienz beim Sultan Abdul Hamid » Der 
Harem des Sultans - Die Bagdadbahn » Herr von Siemens » Jerusalem » Damaskus 
Deutsche Geheimpolizisten 
m 12. Oktober wurde die Orientreise angetreten, zu der mich der 
Kaiser schon eingeladen hatte, als ich noch Botschafter in Rom war. Wir 
schifften uns in Venedig ein, wo eine kurze Zusammenkunft mit dem italieni- 
schen Königspaar stattfand. Dort, mit der Markuskirche, dem Dogenpalast 
und dem Campanile im Hintergrunde, sah ich zum letzten Male den König 
Humbert, dessen Herz Güte und dessen Wesen Ritterlichkeit war. Der 
Kaiser freute sich seit Monaten, man kann sagen seit Jahren, auf die Fahrt 
nach Jerusalem. Der Orient mit seiner Farbenpracht, das Gelobte Land 
mit seinen ehrwürdigen Erinnerungen und (nicht zum wenigsten) der Sultan 
mit seiner unumschränkten und, wie der Kaiser glaubte, von allen seinen 
Untertanen, bis auf eine Handvoll Armenier und internationale Ver- 
schwörer, als Wohltat empfundenen Regierungsweise zogen ihn mächtig 
an. Ursprünglich wollte Wilhelm II. außer Konstantinopel und Palästina 
auch Ägypten besuchen. Aber die Mitteilung über die angebliche Ent- 
deckung eines gegen den Deutschen Kaiser in Kairo geplanten anarchisti- 
schen Attentats bewog Seine Majestät, diesen Gedanken aufzugeben. Von 
mancher Seite wurde behauptet, die englische Vertretung in Ägypten, der 
ein Besuch des Deutschen Kaisers aus manchen Gründen wenig erwünscht 
war, hätte absichtlich die Attentatsgerüchte verbreitet, um den hohen 
Herrn abzuschrecken. In der Umgebung des Kaiserpaars befanden sich auf 
der Orientfahrt außer den Chefs der drei Kabinette, dem Oberhofmarschall 
Graf August Eulenburg und dem Generaladjutanten von Plessen der baum- 
lange Generaläla suite von Scholl, von dem Philipp Eulenburg zu sagen 
pflegte, sein Verhältnis zu seinem kaiserlichen Gebieter gleiche dem eines 
treuen Neufundländers zu seinem Herrn. Wilhelm II. hatte eine Vorliebe 
für große Leute, wenigstens darin einem seiner ausgezeichnetsten Vor- 
fahren, König Friedrich Wilhelm I., dem Schöpfer der preußischen
	        
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