Full text: Bernhard Fürst von Bülow - Denkwürdigkeiten. Erster Band. Vom Staatsseketariat bis zur Marokko-Krise. (1)

Brief der Kaiserin Auguste Viktoria an Bülow 
(zu Seite 245) 
d. 4. Aug. 1904 
Geehrter Graf. 
Ihr Schreiben vom l. Aug. aus Norderney ist heute in meine Hände 
gelangt und beeile ich mich dasselbe zu beantworten. Sie werden ver- 
stehen, daß der Inhalt dieses Schreibens mich sehr beunruhigt. Ich ver- 
stehe vollkommen daß Sie, geehrter Herr Graf, als Reichskanzler, es für 
Ihre Pflicht halten, mich darauf aufmerksam zu machen, daß diese 
Mirbachsche Suche, leider so viel Beunruhigung hervorruft, daß es 
besser wäre, auch polit{sch, IH. v. M. im jetzigen Moment fallen zu 
lassen. Gewiß wäre es bequemer, und würde Vielen den Mund stopfen. 
Ich gebe zu, daß Mirbach manche Fehler gemacht hat. Die Sammelwutk, 
zum Besten der guten Sache, hat ihn zu weit geführt insofern er zu leicht- 
gläubig war, u. an alle Menschen, (auch an solche, die es nicht immer 
verdienten) mit zu viel Vertrauen herangetreten ist; anständige An- 
sichten voraussetzend, die nicht vorhanden waren. Dies ist nicht Welt- 
klugheit. Gewiß bin ich, das glaube ich wissen Sie geehrter Graf am 
besten Selbst die Letzte, die dem Kaiser irgendwie schaden möchte. Aber 
einen Mann, der so viel geleistet hat, in den weitesten Kreisen, in allen 
Provinzen durch s. Liebesthätigkeit doch wiederum sehr viel dazu bei- 
getragen hat, um die Liebe zu Kaiser u. Thron zu stärken, jetzt, wo er 
hauptsächlich durch Preßverleumdung u. Eifersucht der verschiedenen 
Kreise, wie von einer dunklen Wolke verhüllt steht, ihn auch von meiner 
Seite durch Undankbarkeit und Schwäche fallen zu lassen, das würde 
ich für zu unvornehm halten. — Mirbach ist mir 22 Jahre ein treuer 
Diener und Freund gewesen, hat mir auch in den ersten Jahren meiner 
Ehe, als es gar viele Menschen gab, die meinen Einfluß auf den Prinzen 
gerne brechen wollten, und nicht glauben wollten, daß es in unserer 
Lebensstellung noch reines häusliches Glück geben könnte; da hat 
er mir in manchen trüben Stunden geholfen. Es thut mir leid. Ihre so 
besetzte Zeit mit langen Auseinandersetzungen in Anspruch zu nehmen.
	        
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