Eulenburgs
Instruktion
4 PHILIPP EULENBURG, DAS MÄDCHEN AUS DER FREMDE
Besitzung Hertefeld, wo er sich in Urlaub befand. Da ich einen Aufenthalt
von etwa anderthalb Stunden hatte, nahmen wir Platz auf einer Bank
der Bockenheimer Promenade, nicht weit von der Büste des mit Weinlaub
bekränzten Bacchus über dem Wasserbrunnen, an dem ich als Kind so
oft vorübergekommen war, erst an der Hand englischer Nurses und französi-
scher Gouvernanten, später unter dem strengeren Auge des deutschen
Hauslehrers. Eulenburg wünschte dringend, daß ich den Ruf des Kaisers
nicht ausschlagen möge. Einmal legte er Wert darauf, einen persönlichen
Freund zum Vorgesetzten zu haben. Dann aber war die Rolle, die er sich
bei Seiner Majestät zurechtgelegt hatte, die des g lenden Mädch
aus der Fremde, aus dessen Hand der kaiserliche Freund alles Gute, alles
Erwünschte und Ersehnte erhalten sollte. Er setzte mir mit jedem seiner
weichen Natur möglichen Nachdruck auseinander, daß eine Absage den
Kaiser nicht nur tief verstimmen, sondern ihm geradezu als Insubordination,
wenn nicht als Desertion erscheinen würde. Ich wäre es auch dem Lande
schuldig, mich ihm in so schwieriger äußerer wie innerer Lage nicht zu ver-
sagen. Was Eulenburg hierüber sagte, kam aus aufrichtigem Herzen. Er
war für deutsche Gesichtspunkte ziemlich gleichgültig, hatte aber durch
seine Erziehung und seine Verwandtschaften mehr preußisches Empfinden,
als ihm im allgemeinen zugetraut wurde.
Während wir auf der Promenadenbank diskutierten, kam auf einem
großen schwarzbraunen Wallach ein hochgewachsener, noch jugendlich
aussehender General vorbeigeritten, mit strengen Gesichtszügen, die Gestalt
straff und wie aus Erz gegossen, eifrig bemüht um die Dressur seines edlen
Tieres. Ich erkannte meinen Bruder Adolf, der nicht lange vorher zum
Kommandeur der Frankfurter Kavallerie-Brigade ernannt worden war.
Wer hätte mir vorausgesagt, daß wenige Monate später dieser stattliche
Reiter mit eingedrücktem Brustkasten, im Todeskampf röchelnd, unter
seinem schweren Pferd liegen würde! Wer konnte voraussehen, daß mein
Nachbar auf der Bank wenige Jahre später als ein gemiedener und ver-
femter Mann, nicht wie mein armer Bruder körperlich, aber moralisch
zerschmettert, sich in seinem Liebenberger Schloß verbergen würde!
„Wohl vielerlei mag anschauend der Mensch
Ausspähn; doch weissagt, eh’ er geschaut,
Kein Seher die Lose der Zukunft.“
Als wir uns trennten, drückte mir Eulenburg einen Zettel in die Hand
mit den Worten: „Dies mein letztes Wort, meinc letzte Bitte an dich; sie
kommen aus treuem Freundesherzen und aus einem patriotischen Herzen.
Nur wenn du den Kaiser psychologisch richtig nimmst, kannst du dem
Land nützen, du bist aber die letzte Karte des Kaisers Wilhelm II.“ Auf