Full text: Bernhard Fürst von Bülow - Denkwürdigkeiten. Erster Band. Vom Staatsseketariat bis zur Marokko-Krise. (1)

WIE BEHANDELT MAN WILHELM Il? 5 
dem Zettel stand: „Wilhelm II. nimmt alles persönlich. Nur persönliche 
Argumente machen ihm Eindruck. Er will andere belchren, läßt sich aber 
ungern belehren. Er verträgt keine Langeweile; schwerfällige, steife, allzu 
gründliche Menschen gehen ihm auf die Nerven und erreichen nichts bei 
ihm. Wilhelm II. will glänzen und alles selbst machen und entscheiden. 
Was er selbst machen will, geht leider oft schief aus. Er ist ruhmliebend, 
ehrgeizig und eifersüchtig. Um einen Gedanken bei ihm durchzusetzen, 
muß man tun, als ob der Gedanke von ihm käme. Man muß Wilhelm II. 
alles bequem machen. Er ermutigt andere gern zu forschem Vorgehen, 
läßt sie aber im Graben liegen, wenn sie dabei hereinfallen. Vergiß niemals, 
daß S. M. ein Lob hin und wieder braucht. Er gehört zu den Naturen, die 
ohne eine Anerkennung hin und wieder, aus bedeutendem Munde, miß- 
mutig werden. Du wirst immer Zugang zu allen Deinen Wünschen haben, 
wenn Du nicht versäumst, Anerkennung zu äußern, wo S.M. sie verdient. Er 
ist dankbar dafür wie ein gutes, kluges Kind. Bei fortgesetztem Schweigen, 
woer Anerkennung verdient, sucht er schließlich Übelwollen. Die Grenze zum 
Schmeicheln werden wir beide immer genau einhalten.“ So die letzte Ermah- 
nung, die Phili an mich richtete, bevor ich die Arena betrat. Eine Mahnung, 
die für ihn selbst ebenso charakteristisch war wie für seinen hohen Freund. 
In Berlin stieg ich am nächsten Tage im Kaiserhof ab. Als ich mich früh 
zum Friseur begab, um mir nach der staubigen Reise den Kopf waschen 
und die Haare schneiden zu lassen, erkannte ich in dem Herrn, der im Puder- 
mantel neben mir saß, meinen alten Freund Franz Arenberg. Er warf 
mir zornige Blicke zu, die sich an diesem Orte und unter seinem weißen 
Mantel sonderbar ausnahmen. „Que diable viens-tu faire ici?* begann er 
auf Französisch, in welche Sprache er aus Kindergewohnbheit leicht verfiel, 
wenn er erregt war. „Was zum Teufel suchst du in Berlin? Du wirst dich 
hoffentlich hier nicht einfangen lassen, du weißt, daß meine Partei tief ver- 
stimmt ist durch den Rücktritt von Marschall, mit dem wir sehr zufrieden 
waren, der auch Verständnis für uns hat, er hat eine katholische Mutter. Du 
giltst für einen Bismarckianer, auch hast du ja gar keine parlamentarische 
Erfahrung. Wirst du überhaupt im Parlament sprechen können ? Ich habe 
dich zwar in Metz als Referendar einen Raubmörder verteidigen hören, das 
machtest du ganz gut. Aber einmal ist das schon vierundzwanzig Jahre 
her, und dann ist es leichter, einen Raubmörder zu verteidigen, als Eugen 
Richter und August Bebel Rede und Antwort zu stehen.“ 
Die Friseurgehilfen, die uns bedienten, sperrten Mund und Nase auf. 
Ich beruhigte meinen alten, treuen Freund nach besten Kräften. Ich wies 
darauf hin, daß ich zwar keine katholische Mutter, aber dafür eine katho- 
lische Frau hätte; jedenfalls besäße ich Verständnis für die Gefühle der 
Katholiken, die Bedeutung und die Rechte der katholischen Kirche und vor 
Ankunft 
in Berlin
	        
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