Full text: Bernhard Fürst von Bülow - Denkwürdigkeiten. Erster Band. Vom Staatsseketariat bis zur Marokko-Krise. (1)

„LULULUM 857 
tischen Text dieser kaiserlichen Rede bat, mit Bestimmtheit erklärte, daß 
diese Ansprache nur in der mir richtig erscheinenden Fassung in die Öffent- 
lichkeit gelangen werde. Taktvoll und verständig, wie der Botschafter war, 
insistierte er nicht weiter. Auch die von mir abgetönte Ansprache hat 
Abdul Hamid voll befriedigt. Wir waren in Jerusalem in einem Zeltlager 
untergebracht. Der feine Kalkstaub, den der kleinste Windstoß vom Boden 
aufwirbelte, machte den Aufenthalt nicht gerade angenehm. Wie oft über- 
kam mich der Wunsch, diese Reise, die so erhabene und heilige Erinnerun- 
gen wachrief, allein, ohne Hetze und ungestört durch die Banalitäten einer 
aus den verschiedensten Menschen zusammengesetzten Umgebung, unter- 
nehmen zu können. Aber alle unerquicklichen oder widerwärtigen Zwi- 
schenfälle traten zurück vor dem gewaltigen Eindruck, den ich empfing, 
als wir mit dem Kaiserpaar uns im Garten Gethsemane im Schatten uralter 
Olivenbäume versammelten und dort nach einer Ansprache von Dryander 
im Gebet niederknieten. Vor uns sahen wir jenseits des tiefen, trocknen 
Kidrontals dieselben kahlen grauen Berge, auf denen der Blick des Erlösers 
geruht hatte, den Boden, auf dem er gewandelt war, den Hügel, auf dem 
sein Kreuz gestanden und wo er zum Schächer gesagt hatte: „Wahrlich, ich 
sage dir, heute wirst du mit mir im Paradiese sein.“ Ich habe oft vom 
Kapitol auf das Forum hinabgesehen und viel dabei empfunden. Ich werde 
den Blick auf die Akropolis und von der Akropolis auf Salamis und Aegina, 
auf Sunion und die fernen Berge des Peloponnes nicht vergessen und den 
Taygetos und Sparta erst recht nicht. Aber das Bild, das ich auf dem Öl- 
berg vor mir hatte, das Bild des dunklen Kidron und der Stätte, die da 
heißt Golgatha, das ist verdeutscht: Schädelstätte, lebt am stärksten in 
meiner Seele fort. 
Ursprünglich war beabsichtigt worden, noch andere heilige Stätten in 
Palästina zu besuchen. Der Kaiser gab aber diesen Gedanken bald auf, das 
Thermometer stieg immer höher, die Reise fing an, ihn zu ermüden. So 
schifften wir uns am 4. November wieder in Jaffa ein, von wo wir am 
8. November Damaskus erreichten. Der Enthusiasmus des Kaisers für den 
Islam erreichte hier seinen Höhepunkt. Er erblickte zum erstenmal eine 
arabische Stadt, arabische Innenhöfe mit Springbrunnen, den Reiz ara- 
bischer Basars, den großen Zauber arabischer Architektur und Lebens- 
auffassung. Mehr aber noch war sein empfängliches Gemüt durch zwei 
Eindrücke beherrscht. Wo er erschien, begrüßte ihn die Bevölkerung mit 
dem langgezogenen, in Gutturaltönen hervorgestoßenen Zuruf: „Lululu, 
Lululu, Lululu.‘“ Dieser monotone Zuruf wirkte auf ihn wie Haschisch. Ich 
habe diesen stumpfsinnigen Refrain viele Jahre später unter sehr ver- 
schiedenen Umständen, aber ähnlich wieder vernommen, als um die Jahres- 
wende 1918/1919 kommunistische Demonstranten durch die Straßen von 
17 BülowI 
Empfang 
in Damaskus
	        
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